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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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mit.«
    Zoe folgt ihm auf das Flachdach.
    »Von hier oben hast du einen guten Blick.«
    »Warst du schon mal hier?«
    »Klar. Ich habe mir eure Proben angesehen. Die weißen Shorts stehen dir gut. Hattest du ja leider nur ein Mal an.«
    Sie dreht sich erstaunt zu ihm um.
    Er geht noch einen Schritt weiter. »Wie geht es eigentlich deinem Nachbarn?«
    Ihre Augen werden schmal.
    Was weiß er alles? Wie tief hat er sich in ihr Leben gebohrt? Ist sie wirklich seine Komplizin? Oder hat er sie genauso fotografiert wie sie Enya Alt? Sie setzt sich auf den heißen Beton, guckt auf das Gewusel unter ihr. Sie fühlt die Distanz. Als der Akt ihrer Klasse kommt, bleibt alles in ihr tot. Sie sieht die Fehler in den Schrittfolgen, registriert aber auch, dass die Performance gut wirkt. Die Tänzer in den weißen Anzügen, die Farben, der harte Rhythmus. Es gibt viel Beifall. Sie ist nicht wütend oder neidisch. Alle Gefühle perlen an ihrer harten Haut ab.
    »Heute brenne ich die CD mit den besten Fotos. Wann wollen wir unsere Überraschung überbringen?«
    »Mir egal. Was willst du überhaupt von der Alt dafür? Oder willst du sie nur ein bisschen erschrecken?«
    »Ich will 50 Mille.«
    Zoe traut sich nicht, sich zu ihm umzudrehen. Sie hat Angst, dass er das ernst meint. Dass er für die Fotos allen Ernstes 50 . 000 Euro haben möchte.
    »Verlang doch gleich eine Million. Hat die bestimmt mit ihrem horrenden Lehrereinkommen schon gespart.«
    »Die Alt hat geerbt. Die hat die 50 Mille.«
    Zoe schließt die Augen. »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es. Das reicht.«
    »Und das Geld soll sie dir zur nächsten Englischstunde mitbringen?«
    »Ich dachte, sie könnte es in eurem Kleingarten deponieren. Da ist doch nie jemand, oder?«
    Sie möchte ihn spontan fragen, woher er von dem verwilderten Garten weiß, doch er wird es eh nicht sagen. Zoe überlegt. Wann war sie das letzte Mal in dem alten Garten von Opa Walter? Das muss Wochen her sein. Schon damals ist er ihr also gefolgt. Sie hat eine dunkle Vorahnung. Sie dachte immer, Carl und sie spielen ein Spiel. Jetzt dämmert ihr, dass er ein Spiel mit ihr spielt. Ein Spiel, dessen Regeln sie nicht kennt. Gelten für Carl überhaupt Regeln?
    »Ich muss los.« Sie steht abrupt auf. Carl sieht, dass sie leicht schwankt. Zoe hat noch nie geschwankt. Er hat einen winzigen Moment der Unkontrolliertheit gesehen und blickt sie prüfend an.
    »Meine Beine sind eingeschlafen. Ihnen war wohl die Gesellschaft zu langweilig«, sagt Zoe kalt. Carl ist beruhigt. Sie ist wieder die Alte.
    Von ihrem Fenster aus sieht sie die Nachbarn im Garten. Es wäre ein Leichtes, ein bisschen Salz in die Wunde zu streuen. Normalerweise hätte sie sofort eine hübsche kleine Idee. Doch nichts ist mehr normal. Sie spürt keine Versuchung mehr, Schmerz zu verbreiten. Sie guckt nur raus. Sieht ein paar Kinder auf der Straße mit Bobbycars und Rädern Rennen fahren. Am liebsten würde sie runter gehen, sich flach auf die Straße legen und sich immer wieder überrollen lassen, bis sie endlich irgendwas spüren würde.
    Sonja und Stefan Kessler sagen nichts, als Zoe später am Abend ins Wohnzimmer kommt, sich wortlos mit auf die Couch setzt und in den Fernseher starrt. Sie gucken sich kurz an, heben die Augenbrauen. Irgendwann hält die Mutter ihr die Schale mit Erdnüssen hin, Zoe schüttelt nur kurz den Kopf. Sie will nichts essen, sie will auch nicht diesen albernen Til-Schweiger-Film gucken, aber sie will noch weniger alleine sein. Sie rollt sich immer kleiner auf der Couch zusammen und lässt es zu, dass Sonja Kessler irgendwann einen Teil ihrer Wolldecke über sie breitet.

Tote Augen
    H ammerhart. Um vier am Denkmal.
    Das ist die ganze SMS .
    »Guck mal, Papi schreibt.« Sie hält ihr Handy dem Karpfen hin. Seine Augen gucken blind in den Himmel. Seit einer Stunde sitzt Zoe am Teich und guckt den Fisch im Gras an. Irgendwann schiebt sie ihn mit einem Stock zurück ins Wasser, wo er wie Treibgut umherschwimmt. Franzi hat sich eh nicht für ihn interessiert und Zoe fand dieses glitschige große Tier irgendwie obszön. So wie die Bilder, die ihr Carl am Denkmal zeigt. Er hat fünf Fotos ausgesucht. Sie sprechen eine fiese Sprache, triefen vor Körperlichkeit. Carl und Enya, geöffnete Münder, viel Haut, seine Hände auf ihrem Körper, Carls gieriger Blick, als er Enya die Gabel in den Mund schiebt. Zoe könnte stolz sein. Sie hat perfekte Bilder gemacht. Die richtigen Ausschnitte gewählt. Alles drumherum, das die

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