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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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etwas nicht.
    Ich mache eine Bestandsaufnahme meiner Situation. Ich muss Callum dazu bringen, sich zu entspannen und in seiner Wachsamkeit nachzulassen. In Gedanken gehe ich eine Reihe möglicher Fragen durch und versuche, die beste auszuwählen.
    »Warst du mit im Zug? Woher wusstest du, wo ich war? Ich habe mein Armband nicht bei mir.«
    Verärgerung macht sich in seinen Zügen breit und lässt ihn älter wirken als seine zweiundzwanzig Jahre. »Nein, war ich nicht.« Er starrt mich böse an.
    Es war die falsche Frage.
    »Dich zu finden war einfach, Lark. Wir haben damit gerechnet, dass du versuchen würdest, ihn zu erreichen, und deshalb natürlich hierherkommen würdest.«
    Mit großer Mühe halte ich meinen Gesichtsausdruck nichtssagend und emotionslos, während ich darüber nachdenke, wen er mit »wir« wohl meint. Sich selbst und Annalise, oder sich und meine Mutter, oder alle drei?
    »Wir sollten Mutter aufsuchen. Sie wird wissen, was zu tun ist.« Ich schenke Callum mein strahlendstes Hochspannungslächeln und hoffe, dass er mir glaubt.
    Callum streckt mir den Arm hin und wartet darauf, dass ich ihn nehme. Der Blick seiner kühlen blauen Augen geht über meine Schulter hinweg zu etwas hinter mir.
    »Wollen wir?«, fragt er.
    Das ist meine Chance zu fliehen. Maz steht direkt hinter Callum, und wenn ich ihn erreichen kann, können wir einfach in der Menge verschwinden.
    Ich stoße Callum mit aller Kraft von mir. Bevor er reagieren kann, liegt er bereits keuchend flach auf dem Boden. Beck wäre stolz auf mich – all die Jahre voller Ringkämpfe haben sich gelohnt.
    »Lauf, Maz! Lauf!« Ich sprinte auf ihn zu, rutsche aus, bleibe aber auf den Beinen.
    Aber ich bewege mich nicht. Die Luft ist schwer, und mein Körper fühlt sich an, als würde er sich unter Wasser befinden. Ringsum gehen die Leute normal, aber ich muss mich anstrengen, um auch nur einen Schritt voranzukommen.
    Vor mir hält Maz das Bein mitten im Schritt erhoben. Auch er sitzt in der Falle – und hat große Angst.
    »Lark«, sagt er, bevor er in Zeitlupe hinfällt.
    »Maz!« Mein Kopf wirbelt zu Callum herum.
    Er lächelt hämisch und blickt nach rechts. Ich drehe mich um. Annalise winkt mir vom nächsten Bahnsteig aus zu.
    »Hallo, Lark! Wie nett, dass du noch bleibst!« Ihr Körper beschreibt schwankend einen langsamen Kreis. Die Luft um mich herum zieht sich zusammen wie eine Boa constrictor, die ihre Beute erdrückt.
    Wut. Absoluter Zorn wächst in meinem Herzen, wie eine Million Feuerbälle, die aus einem Vulkan hervorbrechen.
    »Du! Hast du das hier bewirkt?«, schreie ich.
    Mein Bruder erscheint an ihrer Seite und küsst ihr die Hand. Seine Stimme ruft fröhlich: »Überraschung!«
    »Callum, deine Partnerin … ist also empfindsam?« Meine Worte hängen in der Luft, während ich hektisch versuche, irgendjemanden – wen auch immer! – auf mich aufmerksam zu machen. Aber niemand achtet auf uns. Wie kann es sein, dass keiner etwas bemerkt?
    Der Druck nimmt zu und presst mir den Sauerstoff aus der Lunge. Wenn das noch lange so weitergeht, werde ich ohnmächtig.
    Callum berührt seine Lippen mit dem Zeigefinger und zwinkert. »Pst, Vögelchen, nichts verraten!«
    Annalises Lachen hallt von den kalten, harten Oberflächen des blitzblanken Bahnhofs wider.
    Die Hülle um mein Herz zerplatzt.
    » Nenn mich nicht Vögelchen! «
    Ein Donnerhall tönt durch den Bahnhof, und doch sieht uns immer noch niemand an. Mit einem letzten Einschnüren löst sich die geballte, erstickende Luft von mir, und ich stolpere. Irgendwie hat Annalise mich, aus welchem Grund auch immer, losgelassen. Ich verschwende keine Zeit darauf, mich zu fragen, warum, sondern renne davon, sobald ich sicher auf den Beinen bin.
    Ich sehe mich nach Maz um. Callum und Annalise stehen rechts und links von ihm. Sie halten ihn aufrecht, und er wirkt verängstigt. Ich zögere und frage mich, ob ich seinetwegen umkehren soll.
    Lauf , formt Maz mit den Lippen.
    Und das tue ich.

13
    Der Geruch nach frischem Heu kitzelt mich in der Nase, und meine Augenlider öffnen sich flatternd. Ich liege in einer Scheune zusammengerollt in einer sauberen Box, in der keine Tiere stehen.
    Als ich mich aufrichte und strecke, tritt das Bild von Annalise, die vom Schnee umwirbelt auf dem Bahnsteig steht, wieder vor mein inneres Auge wie ein böser Traum.
    Sie ist eine von ihnen. Und Callum weiß es, doch es macht ihm nichts aus, genauso, wie Maz die Sache mit Kyra nichts ausmacht. Dennoch versuchen sie

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