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Eisweihnacht

Eisweihnacht

Titel: Eisweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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natürlich versucht. Doch da hatte er sie ausgelacht und sie sich so klein und armselig fühlen lassen mit seinem Lästern über ihr Bein und ihre Haare und dass kein Mann jemals …
    «Carl, ich war überrumpelt, genau wie du. Ich dachte außerdem, in zwei Stunden hat er sich wieder beruhigt. Dass er dir wirklich kündigen würde, hätte ich nie gedacht.»
    «Ach nein. Hat er aber. Ich wüsste nicht, dass du was dagegen unternommen hättest. – Du hättest dich ja wenigstens danach mal bei mir blicken lassen können.»
    «Aber … ich meine … ich wusste ja nicht mal, wo du wohnst.»
    Er lachte wieder laut auf. «Nein, so wichtig war ich auch wieder nicht, dass die höhere Tochter sich die Mühe macht zu eruieren, wo der niedere Angestellte seine bescheidene Bleibe hat. Mein Gott, wenn du dich reden hören könntest.»
    «Entschuldigung, ich bin nicht an allem schuld. Du hättest mir ja zum Beispiel mal schreiben können.»
    «Ach Gott. Hab ich doch. Zweimal, ich Esel. Dann war klar, entweder du willst mir nicht antworten, oder die Briefe werden abgefangen. Du hättest dir doch denken können, dass dein Herr Papa und das werte Tantchen Briefe von mir nicht durchlassen. Leider kannte er ja meine Schrift. – Weißt du, Elise, ich habe mich getäuscht, es hat keinen Zweck zu reden. Das kann nicht mehr gut werden. Was haben wir uns jetzt schon noch zu sagen? Den Karren haben wir beide in den Dreck gefahren. Erst du, später dann ich mit meiner Idee, deinem Vater Konkurrenz zu machen. Du gehst jetzt am besten, damit wir das Trauerspiel beenden.»
    Elise zog es das Herz zusammen bis auf einen stechenden Punkt. Sie sagte kein Wort mehr, machte nach einem Moment der Lähmung nur schnell, dass sie fort und aus dem Laden kam, bevor ihr die Tränen in die Augen schossen. Gerade so schaffte sie es, dem Fräulein im Verkaufsraum noch ein passables «Wiedersehen» zuzurufen.

Z wei Stunden später, es dunkelte schon, kehrte Elise heim. Sie nahm den Weg vorbei am Dom, wo im Lichtschein der Verkaufsschirnen Frauen mit ihren Kindern Weihnachtsschmuck auswählten. Es war so friedlich hier. Elise war in der Eiseskälte geistesabwesend am Main entlanggelaufen, dann hatte sie sich besonnen und war zum Aufwärmen und Reden zu ihrer Schwester Bärbel gegangen. Die Tränen hatte sie längst besiegt und war jetzt eigentlich ganz ruhig.
    Was sie allerdings zu Hause vorfand, war alles andere als Ruhe und Seelenfrieden. Die Tante kam ihr wie ein Kuckuck aus der Uhrentür entgegengesprungen, sobald Elise in die Diele trat. «Wo warst du?», schallte es ihr ins Gesicht, so böse, wie Tante Lotte eben klingen konnte.
    «Bei Bärbel», antwortete Elise, weil diese Antwort am wenigsten kompliziert erschien. Sie streifte die Straßenschuhe ab und zog Pantoffeln über.
    «Warum kannst du dich nicht richtig abmelden und sagen, wohin du gehst und wann du wiederkommst? Der Vater hat dich für Schreibarbeiten gebraucht. Und … äh, Gehling war da und wollte dich sprechen, und es war wirklich sehr peinlich, weil ich ihm nicht sagen konnte, wann wir dich zurückerwarten.»
    «Gehling wollte mich sprechen?»
    «Ja, das ist ja wohl kein Wunder, nach der seltsamen Nachricht, die du ihm geschickt hast.»
    «Ach. Was war denn daran seltsam?»
    «Na ja, ich bitte dich!», sagte die Tante und lachte hysterisch.
    «Ist in der Stube der Ofen an?», warf Elise ein, die sich erst einmal wärmen musste. Das fehlte noch, dass sie krank wurde. «Ja», sagte die Tante und kam Elise hinterher, die sich seufzend auf der Ofenbank niederließ, die Pantoffeln und Strümpfe auszog und die nackten Füße auf die Kacheln stellte.
    «Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist», schimpfte die Tante. «Erst wimmelst du den armen Gehling mit dieser albernen exzentrischen Nachricht ab, jetzt setzt du dich mit nackten Füßen in die Stube wie eine Zigeunerin –»
    Elise reichte es. «Und ich weiß nicht, was in dich gefahren ist, dass du meinst, dich dauernd in meine Herzensangelegenheiten mischen zu müssen. Gehling hat mir nach vierundzwanzig Stunden Bekanntschaft die Pistole auf die Brust gesetzt mit diesem Quetschemännchen, zu dem du ihn überredet hast, und ich habe lediglich sanft die Pistole zur Seite geschoben und mich dabei an den Ton gehalten, den er mit seinem Brief begonnen hat. Ich habe ihm geschrieben, dass das Männchen bis Weihnachten zur Probe bei mir bleiben darf und dass er mein Weibchen dafür ausprobieren soll und wir nach Weihnachten entscheiden, ob wir

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