Eiszeit
sich Sorgen um Ihre Freundin, aber ich bin sicher, wir finden sie bald. Im Moment können wir ohnehin nichts weiter tun, als hier zu warten. Und wenn Sie sagen, dass Sie damit…«, er deutete auf den Papierstapel in Grubers Händen, »…im Moment nichts anfangen können, ist es auch in Ordnung, wirklich. Nur mal einen Blick draufwerfen , dachte ich.«
»Woher haben Sie das?«, fragte Gruber mit tonloser Stimme.
»Von einem Freund des Obdachlosen, der in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hinter der Eisdiele schlafen wollte, als das italienische Ehepaar ermordet wurde.«
Gruber griff sich an die Stirn, machte mit den Armen ein paar Bewegungen, die an Joe Cockers Art zu tanzen erinnerten, ging schwankend drei Schritte zur Seite und ließ sich auf das Mäuerchen der Hauseinfriedung fallen.
»Ich kenne diese Papiere«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme.
Lenz und Hain waren völlig irritiert.
»Wie?«, fand Hain als Erster wieder den Faden. »Was heißt das, Sie kennen die Papiere?«
Nun sackte Gruber völlig in sich zusammen, riss die Hände vors Gesicht und fing hemmungslos an zu weinen.
»Sie … ist … entführt worden. Von diesen …«
»Nun reißen Sie sich mal zusammen, Gruber!«, polterte Lenz. »Was soll das denn?«
»Sie haben ja keine Ahnung«, schrie der junge Polizist zurück. »Keine Ahnung!«
»Das ist durchaus richtig. Aber ich glaube, Sie sollten uns jetzt helfen, ins Bild zu kommen, Herr Kollege.«
Wieder wurde Gruber von einem Weinkrampf geschüttelt. Dann sah er mit rot unterlaufenen Augen zu den Kollegen, stand langsam auf und trat mit gesenktem Kopf dicht an sie heran.
»Ich …, wir …, ich meine, meine Freundin und ich …, wir haben Scheiße gebaut.«
»Was für Scheiße?«, wollte Hain wissen.
»Können wir ein Stück gehen?« Er warf den uniformierten Kollegen, die in der Nähe am Absperren waren, einen kurzen Blick zu. »Ich möchte nicht, dass hier jeder mitkriegt, was ich Ihnen erzähle.«
»Dann los«, erwiderte Lenz und setzte sich in Bewegung. Zwei Ecken weiter blieb er stehen und musterte den Mann von den Wirtschaftssachen erwartungsvoll.
»Wir haben versucht, Mälzer und seine Frau mit diesen Unterlagen zu erpressen«, begann Gruber kaum hörbar und deutete dabei auf den Stapel Papiere in seiner Hand. Dann erzählte er seinen Kollegen den ganzen gescheiterten Versuch, die Mälzers mit dem Material, das Franziska Faust über Wochen gesammelt und kopiert hatte, unter Druck zu setzen. Und von Mälzers Reaktion. Davon, dass seine Freundin, nachdem sie ihr Vorhaben längst aufgegeben hatten, die Unterlagen per Post an die Italiener geschickt hatte. In genau jenem Briefumschlag, den er jetzt in seiner Hand hielt.
»Und jetzt habe ich total Schiss, dass die Männer, die das Italienerehepaar erschossen haben, Franziska gekidnappt haben und ihr was antun.«
Lenz und Hain waren total konsterniert und konnten nicht glauben, was sie gerade gehört hatten. So blöd konnte kein Mensch auf der Welt sein, dachten beide unabhängig voneinander.
»Und das Material, das Ihre Freundin da kopiert hat, ist definitiv authentisch? Es stammt wirklich aus Mälzers Büro?«
»Ich schwöre«, antwortete Gruber und hob dabei die rechte Hand. »Wir haben es Dutzende Male geprüft und sind ganz sicher, dass die Mälzers über Jahre hinweg ihre Investoren, die Finanzbehörden sowie das Land Hessen, den Bund und die EU betrogen haben.«
»Und Sie meinen, das ist gerichtsfest?«, bohrte Hain nach.
»Definitiv. Alle Unterlagen, die Sie hier sehen, sind im Original in Mälzers Büro vorhanden. Und wenn er sie weggeschafft haben sollte, macht das auch nichts, weil bei den Katasterämtern und den einzelnen Behörden alles vorhanden ist. Er hat nur ausgenutzt, dass niemand ihm eine solche Schweinerei zugetraut hätte.«
»Was mit Sicherheit auch auf Sie zutrifft«, merkte Lenz kopfschüttelnd an. Gruber nickte mit gesenktem Blick.
»Natürlich ist das durch nichts zu entschuldigen und ich stelle mich voll und ganz meiner Verantwortung. Aber zunächst bitte ich Sie, unabhängig von dem, was wir verbockt haben, alles zu tun, um meine Freundin zu finden. Lebend zu finden«, fügte er schluchzend hinzu und fing erneut an zu weinen.
Lenz legte ihm väterlich eine Hand auf die Schulter. »Natürlich werden wir alles tun, um sie zu finden. Aber wenn das vorbei ist, klicken die Handschellen, das muss dir klar sein, Junge. Aber bis dahin bist du ein Vorzeigebulle und hilfst uns. Wenn es
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