Eiszeit
verlassen und er hat nicht in den letzten Wochen so etwas wie Berufsethos entwickelt.«
»Vergiss es«, gab Lenz, immer noch grinsend, zurück. »Das Einzige, was ihn jetzt wahrscheinlich beschäftigt, ist die Frage, wie er es anstellt, ohne es sich mit mir zu verderben. Ich tippe darauf, dass er unter dem Namen eines Kollegen schreibt, mich dann morgen ganz zerknirscht anruft und behauptet, der Kollege hätte es von einer anderen Quelle.«
»Und du meinst nicht, dass er sich schämt, die alte Masche abzuziehen?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn, müssen wir uns eben was anderes einfallen lassen.«
Im Hintergrund tauchte ein riesiger, knallrot lackierter Abschleppwagen auf, der hinter dem Lieferwagen hielt, vor dem sie standen. Der Fahrer stieg aus und ging auf die beiden Beamten zu.
»Ist das der Ducato , den ich abholen soll?«
»Ja, das ist er«, rief Kostkamp über ein paar geparkte Autos hinweg.
*
Eine knappe halbe Stunde später kamen die beiden Kommissare im Präsidium an. Auf Hains Schreibtisch lagen zwei Ausdrucke der Phantombilder, die nach Schweizers Angaben erstellt worden waren. Daneben eine Notiz, dass die beiden europaweit zur Fahndung ausgeschrieben waren. Lenz betrachtete die wie immer seltsam ausdruckslos anmutenden Computerdarstellungen.
»Das sollten tatsächlich Südländer sein, die uns der Herr Schweizer hier präsentiert, was meinst du?«
Hain nahm die Bilder in die Hand und nickte.
»Stimmt. Aber ob das nun Griechen, Spanier oder am Ende gar Portugiesen oder Italiener sind, will ich nicht entscheiden müssen. Vielleicht kommen sie ja aus Nordafrika.«
»Wie auch immer, wenn …«
Weiter kam der Hauptkommissar nicht, weil Rolf-Werner Gecks das Büro betrat.
»Hallo, Männer.«
»Hallo, RW , gibts was Neues?«
»Und ob«, antwortete der altgediente Ermittler. »Der Ducato ist kein deutsches Fahrzeug, zumindest ist seine Fahrgestellnummer nie in Deutschland registriert worden.«
Lenz musterte ihn mit gerunzelter Stirn. »Und was heißt das?«
»Erst mal gar nichts. Aber vielleicht bringt es uns weiter, wenn wir herausfinden, aus welcher Ecke der Welt das Ding stammt.«
»Das könnte bedeuten, dass …«, er deutete auf die Phantombilder, »… dass diese beiden Strolche hier mit dem Ding angereist sind, wo auch immer sie herkommen?«
Gecks nickte. »Genau das.«
»Dann, RW , solltest du möglichst schnell herausfinden, woher der Lieferwagen stammt.«
»Die Anfrage läuft schon. In spätestens zwei Stunden habe ich die Information.«
»Klasse«, erwiderte Lenz. »Das sollte uns zumindest einen kleinen Schritt voranbringen, wenn die Fahndung bis dahin nichts gebracht hat.« Er gähnte, rieb sich seine müden Augen und sah auf die Uhr. »Und ich mach mich jetzt nach Hause, ich kann nämlich kaum noch stehen.«
»Soll ich dich bringen?«, fragte Hain eher unmotiviert.
»Nein, ich gehe ein paar Schritte zu Fuß und nehme dann den Bus. Du könntest noch mit den Kollegen vom KDD absprechen, was wir bis jetzt haben, dann kannst du auch Feierabend machen.«
»Mach ich.«
»Gut. Wenn irgendwas Außergewöhnliches sein sollte, rufen die Jungs sowieso an. Ansonsten treffen wir uns morgen um sieben hier.«
Damit verabschiedeten sich die Polizisten voneinander. Gecks und Hain wünschten ihrem Chef und Freund eine entspannte Nacht vor seinem letzten Arbeitstag.
Na gut, dachte Lenz.
*
Er verließ das Polizeipräsidium am oberen Ausgang und wollte gerade den neu gestalteten, grün gestrichenen Bahnhofsvorplatz betreten, als sein Mobiltelefon klingelte.
»Lenz«, meldete er sich.
»Ich bins «, hörte er Maria Zeislingers fröhliche Stimme. »Wo steckst du? Hast du schon gepackt? Freust du dich?«
»So viele Fragen, Maria, wo ich doch so müde bin.«
»Hey, was ist passiert? Heute ist dein vorletzter Arbeitstag gewesen. Morgen noch einmal, dann hast du es geschafft und kannst dich nur noch auf den Sprung über den großen Teich und die Tage mit mir freuen.«
Lenz schluckte.
»Damit habe ich längst angefangen. Heute war zwar noch einmal richtig was los im Präsidium, doch ich bin mir fast sicher, dass es das jetzt war.«
»Du meinst bestimmt die Sache mit den beiden Italienern. Damit hast du doch so kurz vor deinem Urlaub nichts mehr zu tun, oder?«
»Na ja, Maria, immerhin bin ich der Leiter der Mordkommission. Ich war natürlich am Tatort und hab mich ein bisschen umgesehen.«
»Ein bisschen umsehen geht. Aber mehr untersage ich dir hiermit
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