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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Krummsäbel hing, vom Leibe und zog die Waffe aus der Scheide, wobei er unbewußt gräßliche, grelle Pfiffe ausstieß.Mit weit aufgerissenen Augen, so als habe ihn der Schejtan am Kragen, krümmte sich der Janitschar auf der Erde.
    Die Pfiffe hatten weitere Wachen angelockt, die jetzt mit gezücktem Säbel in den Säulengang stürmten. Auch sie schreckten zurück, als sie des rasenden Mannes ansichtig wurden.
    Zum Glück für sie war ein Beherzter unter ihnen, der ohne Scheu auf Michel eindrang. Michel jedoch schlug mit dem ungewohnten Krummsäbel ein paarmal so gewaltig zu, daß der andere das Heft nicht mehr in der Hand halten konnte und die Waffe fahren ließ. Jetzt hatten sich allerdings auch die übrigen gefaßt. Sechs waren es, die eine Reihe vor Michel bildeten.
    Zweimal, dreimal stürmte der Pfeifer gegen diese Mauer an.
    Aber die Janitscharen verstanden ihr Handwerk. Als Michel merkte, daß ihn der schwere Säbel daran hinderte, seine unwiderstehlichen Volten zu schlagen, wich er plötzlich ein paar Schritte zurück, nutzte das Überraschungsmoment beim Gegner aus, schlang ein Stück der roten Schärpe, die er aus Versehen noch immer in der Linken hielt, um die Spitze des Säbels, packte diese mit der Rechten, und sprang plötzlich auf die Wächter los, grelle Pfiffe ausstoßend und mit dem schweren Knauf nach ihnen schlagend. Der Zufall wollte es, daß er den, der ihm am nächsten stand, am Kopf traf. Der Getroffene sackte lautlos zusammen. Das schwere, abrutschende Griffstück fing sich auf der Wange des Nebenmannes, hatte aber nur noch die halbe Kraft. Doch der Mann wankte, was zur Folge hatte, daß die anderen nun dem teuflischen Angriff nicht mehr die Stirn zu bieten wagten und schreiend nach beiden Seiten auswichen. Sie glaubten nichts anderes, als daß der Schejtan selbst ihnen dieses Gefecht liefere. Es war ihnen im Verlauf ihres schlachtenreichen Lebens noch nicht vorgekommen, daß jemand mit dem Säbelgriff anstatt mit der blanken Schneide focht und dabei auch noch einen solchen Erfolg erzielte. Michel stürmte an den Wächtern vorbei, stieß die nächste Tür auf und verschwand im Innern des Palastes. Hier verhielt er für Sekunden den Schritt und lauschte den Rufen der Gequälten, die jetzt deutlicher noch als vorher zu hören waren.
    Weiter raste er durch die Flucht der prachtvollen Räume, immer weiter.
    Er kam in den Empfangssaal, den er bereits gestern abend kennengelernt hatte. Hier war das Schreien ganz nah zu hören, als befände sich die Folterkammer im Nebenraum.
    Und so war es auch. Als er eine der Seitentüren aufstieß, sah er sich einer gräßlichen Szene gegenüber.
    An eisernen Haken, die in die Wand eingelassen waren, hingen sechs blutüberströmte Gestalten, die jetzt ihre stieren Blicke auf ihn richteten. Vor ihnen standen ein paar Henkersknechte in scharlachroten Gewändern und handhabten erbarmungslos dicke, zehnstriemige
    Nilpferdpeitschen. Auf einem erhöhten Podium saß der Daj und sah diesem grausamen Spiel gleichgültig zu.
    »Deste! — Ojo!--Jardin!--Porquez!« schrie Michel mit blutunterlaufenen Augen und drang auf die verdutzten Folterknechte ein. Den ersten streckte er mit einem Fausthieb zu Boden. Dem zweiten schmetterte er seine Linke unter die Kinnlade, daß jener Blut und Zähne ausspuckte.Mit wildem Griff riß er die Schärpenfetzen von der Schneide des Säbels und schwang diesen drohend gegen den Daj.
    »Allah kerim!« schrie dieser entsetzt auf. »Der Mensch will mich umbringen! Zu Hilfe! Zu Hilfe!«
    Er streckte abwehrend beide Hände gegen Michel aus.
    Einer der Knechte konnte aus der Kammer entweichen. Voller Schreck rief er draußen die Wachen zusammen.
    Michel packte den Daj bei der Brust und schüttelte ihn. Vor Aufregung schrie er ihn in deutscher Sprache an:
    »Gib meine Kameraden frei, du verdammter Schurke, sonst schneide ich dir die Kehle durch!« Er zog ihn immer näher zu sich heran und öffnete den Mund, als wolle er ihn abermals in die Nase beißen.
    Baba Ali schrie entsetzt auf.
    Doch da erschienen Wachen in der Tür. Instinktiv drehte sich Michel um und hielt den Andrängenden ihren eigenen Daj als Schild entgegen.
    Dann stieß er, ohne den geöffneten Mund zu schließen, ein paar durchdringende Kehllaute aus, die sich für die Umstehenden jedoch anhörten wie Pfiffe. Pfiffe, ,die jemand mit offenem Mund hervorbrachte.
    Sie begannen vor dem Furchtbaren zu zittern. An ihn heran konnten sie nicht, weil der vorgehaltene, vor Schreck halb

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