Elbenfürstin (Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien) (German Edition)
Schneeball der zur totbringenden Lawine mutiert, wussten
selbst die Sternelben nur vage. Das Schicksal ist voller Fallstricke und
Abzweigungen.
A ls ich am nächsten Morgen
vom ausgiebigen Jogging aus dem nahen Wald zurückkehrte, stand ein enorm großer
Umzugswagen vor dem Vorderhaus.
„Lilia!“
Hinter zwei kräftigen
Kerlen, schwer an einer mir bekannten ledernen Scheußlichkeit schleppend,
tauchte Schorsch auf. Sein Spitzname klang wirklich cooler als Georg.
„Hallo, das sieht mir mehr
nach Auszug denn Einzug aus“, bemerkte ich enttäuscht.
„Na, in den Möbeln kann doch
kein normaler Mensch wohnen. Das wird alles verschenkt.“
„Die Gemälde nicht
vergessen“, witzelte ich.
Schorsch erwiderte grinsend:
„Wie könnte ich! Morgen kommen die Maler, am Samstag wollen wir dann
einziehen.“
„Super, wenn ihr Hilfe
benötigt, einfach klingeln“, verabschiedete ich mich erleichtert.
Aus Vorfreude strahlend wie eine Schneekönigin,
wetzte ich heim unter die Dusche. Mit Jay und Schorsch würde sich das
Vorderhaus von seinem düsteren Dasein verabschieden. Und ich bekäme bestimmt
tolle Freunde. Die Augen während meiner Haarwäsche schließend, kehrte
augenblicklich die Erinnerung an die Sternelben zurück. Richtig, ihr
Auftrag, gleich nach dem Frühstück.
V or der PC-Tastatur fand ich
die Aufgabe schon nicht mehr so leicht. Ich sollte eine Email an Kriminalhauptkommissarin
Katja Rainer schreiben. Wie sie mir erklärt hatten, ging es zunächst darum, ihr
Vertrauen zu gewinnen. Und wie stellt man das bei einer Kommissarin an? Mit
Fakten! In meinem Gedächtnis befanden sich sämtliche ekelerregenden Details
über einen Mord, begangen vor knapp drei Monaten. Die Ermittler tappten völlig
im Dunkeln, der Fall würde ungeklärt bleiben. Es sei denn, ich half nach. Von
Polizeiarbeit verstand ich null, einschlägige Fernsehkrimis kamen mir grundsätzlich
nicht auf den Bildschirm. Und die vor Jahren zeitweilig in Unmengen
verschlungenen Kriminalromane lagen sicher weitab der Realität. Ich konnte mir
jedoch zusammen reimen, dass Genauigkeit den Schlüssel darstellte. Am
vernünftigsten also, ich schrieb eine Liste. Mal sehen. Erstens alles über
den Täter, zweitens über den Mord, drittens existierten noch unbekannte Zeugen.
Und das Wichtigste wären ja wohl die Beweise. Okay, los geht’s.
Das Projekt verschlang Stunden, irgendwann
schaute Elin vorbei und sagte etwas von Mittagessen. Da ich unten nicht
auftauchte, stellte sie die Mahlzeit auf den Schreibtisch. Essen, oder ich
ziehe den Stecker raus, drohte sie mit erhobenem Zeigefinger.
Ja, ja, gleich.
Eine Stunde später wollte sie Ernst machen, deshalb
riss ich mich kurz von der Arbeit los. Kauend guckte ich die bislang fünf
ordentlich gegliederten Seiten nochmals durch. Name – du hast die Adresse
des Mörders vergessen! Als ich endlich auf „Senden“ klickte, ging bereits
die Sonne unter.
K atja warf einen kurzen,
ungnädigen Blick durch ihr schmales Bürofenster auf eben jenen Sonnenuntergang,
während sie ihre Emails durchging. Sie würde wahrscheinlich mal wieder bis
Mitternacht im Kommissariat über den Akten brühten müssen.
Kaum hatte sie sich widerwillig
umgedreht, sah sie den Eingang auf ihrem persönlichen Emailkonto. „Wer zum
Kuckuck … woher hat die Absenderin meine geheime Emailadresse?“ ärgerte sie
sich laut. In der Betreffzeile stand: Infos zum Mordfall Emma Steiner. Katja
öffnete den Anhang, eine PDF-Datei mit sieben Seiten, und scrollte automatisch den
Text herunter. „Verdammt, für solche dämlichen Scherze bin ich die Falsche.“
Sie wollte schon auf die Löschtaste gehen – und stutzte: „Das kann niemand
wissen, die Infos zur Tatwaffe haben wir zurückgehalten.“
Anderthalb Stunden später stand ihr
Entschluss fest, Samstagmorgen einen einzigen Versuch zu starten. Lag die
Tatwaffe nicht an der detailliert beschriebenen Stelle im Schlachtensee, würde
sie die Absenderin ausfindig machen und ihr den Marsch blasen. Ihr Instinkt
glaubte etwas anderes.
D er Samstag startete mit
strömendem Regen. Wie abscheulich, bei solch einem Sauwetter umziehen zu
müssen. Ich wünschte, die Sonne würde für Schorsch und Jay herauskommen.
Sie tat es eine Viertelstunde später, ohne
dass mir aufging, warum. Kurz entschlossen zog ich meine Joggingsachen an und
spurtete los. Keine zwei Straßenecken weiter goss es wie aus Kübeln. Na
super, also gebe ich heute mal wieder die Freilaufschwimmerin, meckerte
ich.
Eine gute Stunde
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