Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
nun besser auf der Hut. Sie beugten sich nur hastig vor, um eines ihrer Wurfgeschosse zu schleudern, und gingen dann sofort wieder in Deckung. Thalinuel schoss ihren gesamten Köcher leer, aber obwohl sie als hervorragende Bogenschützin galt, traf sie nur noch drei weitere Zwerge.
Nachdem sie den letzten Pfeil verschossen hatte, hängte sie sich den Bogen wieder um und zog stattdessen erneut ihr Schwert. Die Verteidigungslinien der Zwerge waren bereits auf weiter Front durchbrochen, und sie hatten sich auf eine neue Taktik verlegt. Überall hatten sie sich zu kleinen Grüppchen zusammengeschlossen, die mit den Rücken zueinander standen und mit ihren Schilden einen regelrechten Wall um sich errichteten.
Obwohl Streitäxte ihre bevorzugten Waffen waren, kämpften sie fast ausnahmslos mit ihren Schwertern, da diese gegen die blitzschnell heranrasenden Reiter wesentlich wirkungsvoller waren als die unhandlicheren Äxte.
Dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass sie diesen Kampf verlieren würden. Mehr und mehr von ihnen wurden niedergestreckt. Genau wie die übrigen Elben konnte Thalinuel fast ungehindert zwischen den Zwergengrüppchen hin und her reiten. Viele ihrer Schwerthiebe wurden von den Schilden abgefangen, aber immer wieder gelang es ihr, eine Lücke zu finden und einen der Zwerge zu töten oder zumindest zu verwunden.
Dabei zeigte sich, dass es von Zwerg zu Zwerg große Unterschiede im Umgang mit Waffen gab. Manche beherrschten sie hervorragend und waren unzweifelhaft im Kampf ausgebildet. Andere hingegen schlugen mit den Schwertern nur mehr oder weniger ungeschickt zu. Sie waren keinesfalls Krieger, sondern gingen anderen Berufen nach. Sie mochten nach Erzen oder Edelsteinen schürfen, vielleicht waren sie Schmiede oder übten sonst eine handwerkliche Tätigkeit aus. Für Thalinuel und die anderen kampferprobten Elben stellten sie keine Gegner dar.
Und dann war es plötzlich vorbei.
Ein Hornsignal ertönte. Waffenlos trat König Voltan vor, die Arme vorgestreckt und die leeren Handflächen nach oben gekehrt.
»Beendet das Gemetzel!«, rief er mit laut hallender Stimme. »Wir ergeben uns.« Er verneigte sich vor Olvarian. »Wir sind Euch nicht gewachsen und unterwerfen uns Euch. Verlangt von uns, was Ihr wollt, aber hört auf, mein Volk abzuschlachten, ich bitte Euch.«
»Alter Narr!«, stieß der zweite Hüter der Türme hervor. »Das hättest du auch gleich haben können. Mussten dafür erst so viele sterben? Befiehl deinen Leute, ihre Waffen niederzulegen, dann werden auch unsere ruhen!«
Der Kampf um die Zwergenmine war vorbei. Ein vielhundertfaches Klirren, mit dem Schwerter auf dem Boden aufprallten, besiegelte das Ende der Schlacht.
18
IN GORMTAL
Juli 9430 neuer Zeitrechnung der Elben
Eine Menge Leute bezeichneten Gormtal als einen Schandfleck auf der Landkarte Lartronias; einen Hort des Verbrechens und zügelloser Ausschreitungen, wo das Leben eines Menschen – oder Angehörigen irgendeines anderen Volkes – kaum etwas galt. Für andere stellte es aus genau denselben Gründen so etwas wie das Paradies dar.
Beides traf zu.
Es gab eine Menge anständiger Menschen in Gormtal, die sich ihr Geld mit ehrlicher, harter Arbeit verdienten. Viele waren weggezogen, aber etliche waren auch geblieben. Das Gebiet zwischen Elem-Laan und dem Schattengebirge war nur dünn besiedelt. Gormtal war die einzige größere Stadt, ansonsten gab es nur kleine Dörfer. In ein solches überzusiedeln, erschien vielen nicht sonderlich verlockend.
Sie hätten sich dort eine ganz neue Existenz aufbauen müssen, und Fremde wurden in den kleinen Ortschaften nicht gerne gesehen und meist nicht sehr freundlich aufgenommen, vor allem, wenn sie den dort bereits beheimateten Handwerkern oder Krämern Konkurrenz zu machen versuchten. So mancher, der aus Gormtal geflohen war und in einem der Weiler ein Geschäft, eine Schmiede, Küferei oder irgendeinen anderen Betrieb eröffnet hatte, hatte diesen schon bald wieder schließen müssen, weil die Einheimischen sich weigerten, zu ihm zu kommen. Die meisten gingen deshalb erst gar nicht aus der Stadt weg, so schwer das Leben dort teilweise auch war.
Wer hingegen stark, entschlossen und skrupellos genug war, sich ohne irgendwelche Rücksicht zu nehmen, was er wollte, konnte es in Gormtal rasch zu großem Wohlstand bringen. Mord, Raub, Hurerei, Schmuggel, Hehlerei, Glücksspiel, Betrug – es gab unzählige Möglichkeiten, reich zu werden – falls man nicht vorher umgebracht
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