Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
ihnen eine Heimstatt zur Verfügung zu stellen, die ihrem hohen Rang und ihren Verdiensten angemessen war. Außerdem hatten sie nicht vor, dauerhaft allein zu bleiben. Irgendwann würden sie Kinder haben, und dann sollte dies der Stammsitz ihres eigenen, neu gegründeten Hauses werden, das es an Bedeutung und Reichtum vielleicht einst sogar mit Korrilan würde aufnehmen können.
»Es steht auch genug auf dem Spiel«, erwiderte er. »Wenn das Baran-Tahal durchbrochen wird, fällt Zarkhadul. Die Menschen sind uns im Kampf unterlegen, aber es sind einfach zu viele, als dass wir hoffen dürfen, ihnen ohne den Schutz unserer Mauern und Tore trotzen zu können. Erst gestern sind …«
»Nicht«, unterbrach ihn Ailin und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Wir haben wenig genug Zeit für uns, da sollten wir nicht noch in den wenigen Stunden darüber sprechen, in denen wir zusammen sind.«
Er küsste ihren Finger, ergriff dann ihre Hand und küsste auch die Handfläche, ehe er sie wegschob.
»Ich wünschte, ich könnte es, aber ich vermag derzeit an nichts anderes zu denken. Zu groß ist die Gefahr, auch wenn Hoffnung angebracht ist. Aber noch steht alles auf Messers Schneide, und die Verantwortung lastet schwer auf mir. Sokan ist ein großer Krieger, aber zu unsicher, um auch ein großer Befehlshaber zu sein. Er überlässt fast alle Entscheidungen allein mir. Von mir hängt unser aller Schicksal ab, das Schicksal von ganz Zarkhadul. Nicht nur das Volk, auch die meisten im Rat scheinen in mir eine Art Vizekönig zu sehen, der in Tharlias Abwesenheit regieren soll. Das ist nicht nur eine drückende Last, sondern auch eine Verantwortung, die ich nie gewollt habe.«
»Aber du bist stark genug, sie zu tragen, dafür kenne ich dich gut genug«, behauptete Ailin. »Und ich werde dir dabei helfen, so gut ich kann. Aber gerade weil so viel von dir abhängt, ist es wichtig, dass du auch einmal zur Ruhe kommst, um wieder klar denken zu können.«
»Ich weiß«, erwiderte er. »Du glaubst gar nicht, wie sehr ich es genossen habe, die letzte Nacht wieder einmal hier bei dir zu verbringen. Aber es gelingt mir einfach nicht, den Kopf frei zu bekommen.«
»Du wirst sehen, alles wird gut. Li’thil wird uns beistehen. Wir Priesterinnen beten unablässig zu ihr. Sie lässt ihre Kinder nicht im Stich.«
»Ich wünschte, mein Glaube wäre so stark wie deiner, aber …«
Das Ertönen eines lauten Horns, dessen Klang durch die gesamte Mine schallte, ließ ihn verstummen.
»Ich weiß schon, es ist etwas passiert, und du musst dich darum kümmern«, sagte Ailin und senkte den Blick. »Dann geh, das ist jetzt wichtiger. Sobald die Belagerung vorbei ist, werden wir wieder mehr Zeit für uns haben.«
»Das war das Signal des Postens auf dem Berggipfel. Er hat etwas entdeckt.« Warlon umarmte und küsste sie, dann eilte er aus dem Haus, in Gedanken schon ganz bei dem, was ihn erwarten mochte. Hoffentlich waren es diesmal gute Nachrichten, nicht so wie gestern. Auch da war das Horn ertönt. Zu ihrem Schrecken hatte sich eine weitere, sicherlich noch einmal mindestens fünf- bis sechstausend Mann starke Armee aus Radon genähert und sich inzwischen mit dem Rest des Heeres vereint.
Er eilte auf den Aufzug zu dem Ausguck zu. Es gab auch eine Treppe, doch sie war viele tausend Stufen lang und nur für den Notfall gedacht. Mit dem Aufzug ging es wesentlich schneller und leichter, und es wurden nicht seine eigenen Beinmuskeln beansprucht, sondern die Arme derjenigen, die den Metallkäfig durch das Drehen an gewaltigen Kurbeln nach oben beförderten. Das Ganze lief über ein kompliziertes System von Rollen und Gegengewichten, sodass die Anstrengung vergleichsweise gering war.
Auf ein Druckmittel hatten die Menschen zum Glück bislang nicht zurückgegriffen, ging es Warlon durch den Kopf, während der Käfig langsam aufstieg. Sie könnten damit drohen, die gefangenen Zwerge hinzurichten, wenn sich die Verteidiger nicht ergaben, doch so weit waren sie bislang nicht gegangen. Vielleicht wussten sie auch, dass Zwerge sich nicht erpressen ließen und die Gefangenen bereitwillig ihr Leben für das Wohl ihres Volkes opfern würden. Wenn eine solche Drohung keinen Erfolg hatte, würde den Königen nichts anderes übrig bleiben, als sie in die Tat umzusetzen, und vor einem solchen Massenmord schreckten wohl selbst sie zurück. Ihnen musste klar sein, dass eine solche Gräueltat jede Hoffnung auf einen Frieden zunichtegemacht hätte und die Zwerge
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