Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
Kyrill-Priester, sagst du?«
Der Drache kratzte sich den kurz geschorenen Bart an seinem Kinn, der ebenso grau wie sein Haupthaar war, und versuchte sich zu erinnern, was er über den Orden seines Besuchers wusste. Die Kyrill-Priester stammten aus den wenig erforschten Ländern weit im Süden, doch unternahmen sie oft weite Reisen, auch wenn es sie nur selten in die hiesigen Landstriche verschlug. Lorian konnte nicht behaupten, dass er darüber unglücklich war, denn der Kyrill-Kult stand in schlechtem Ruf.
Seine Anhänger verehrten einen Gott des Blutes und der Stärke, der keine Huldigung und keine Gebete forderte, sondern nur wohlgefällig auf jene herabblickte, die ihr Leben in die eigenen Hände nahmen. Nur der Starke verdiente es in ihren Augen zu überleben, der, der ohne Rücksicht auf Schwächere seine eigenen Interessen verfolgte. Das galt auch für die Kyrill-Priester selbst. Sie waren zumeist hoch gebildet, doch waren sie keine selbstlosen Missionare, die das Wort ihres Gottes in die Welt tragen wollten, sondern sie verbreiteten seine Lehre lediglich dadurch, dass sie strikt danach lebten. Dementsprechend waren ihre Schwerter meist ebenso scharf wie ihre Zungen, und sie galten als hervorragende Kämpfer – und in gewissen Kreisen auch als die besten Attentäter und Meuchelmörder, die man für Geld anheuern konnte. Wenn der Preis stimmte, führten sie jeden Auftrag durch, Skrupel waren für sie ein Fremdwort.
War genau das womöglich die Absicht des Priesters, der ihn um eine Unterredung bat? Hatte einer seiner Widersacher ihn angeheuert, um ihn endlich aus dem Weg zu räumen?
Nach kurzem Überlegen kam Lorian zu dem Schluss, dass dies allzu unwahrscheinlich war. In einem solchen Fall h ätte der Priester ihn kaum offiziell um eine Audienz ersucht, bei der er von seinen Wachen umgeben wäre, sondern sich heimlich an ihn heranzuschleichen versucht. Da für die Kyrill-Anhänger bei allem, was sie dachten und taten, ihr eigenes Wohl an erster Stelle stand, würde keiner von ihnen ein solches Risiko eingehen, wenn es sich vermeiden ließ.
Wesentlich wahrscheinlicher war es, dass der Priester ihm gegen Bezahlung seine Dienste anbieten wollte. Auch wenn Lorian im Moment zumindest nicht wusste, wofür er sie benötigen könnte, würde sich das Gespräch eventuell lohnen.
»Hat er keinerlei Andeutungen gemacht, um was es sich bei diesen dringenden Angelegenheiten handelt?«
Der Zeremonienmeister schüttelte den Kopf.
»Nicht ein Wort. Aber er ist nicht allein gekommen. Eine junge Frau ist bei ihm.«
»Hm. Sag ihm, ich wäre bereit, ihn nach der Heerschau zu empfangen. Aber verstärke die Wachen zu meiner Sicherheit und sorge dafür, dass beide gründlich nach Waffen durchsucht werden. Du haftest mit deinem Kopf dafür, dass nichts Unvorhergesehenes passiert.«
Der Zeremonienmeister schluckte schwer, dann verbeugte er sich noch einmal und zog sich zurück.
König Lorian lehnte sich auf seinem Sitz nach hinten. Seine Kopfschmerzen waren noch stärker geworden.
Der Priester war hochgewachsen und schlank, soweit man das unter seiner braunen, mit schwarzen Streifen abgesetzten Kutte sehen konnte, die mit einem breiten Gürtel um die Hüften geschnürt war. Seine Augen strahlten in einem hellen Blau. Mehr war von seinem Gesicht nicht zu erkennen, da es bis auf den Augenschlitz nach der Art seines Ordens vollständig von einem schwarzen, eng gewickelten Tuch verhüllt war. Es hieß, dass außer anderen Angehörigen des Kults noch niemals jemand das Gesicht eines Kyrill-Priesters gesehen und dies überlebt hätte.
Wie König Lorian angeordnet hatte, war der Priester gründlich nach Waffen durchsucht worden, doch hatte man außer seinem Schwert, das er freiwillig bereits beim Ersuchen um die Audienz abgegeben hatte, keine gefunden. Auch seine Begleiterin, deren Gesicht ebenfalls verhüllt war, trug keine Waffen. Dennoch standen Wachen nicht nur hinter dem Thron, sondern auch daneben, um den König im Falles eines Angriffs sofort schützen zu können. Darüber hinaus waren Bogenschützen auf einer Galerie postiert. Lorian war nicht gewillt, auch nur das geringste Risiko einzugehen.
»Mein Name ist Chorm, Mitglied der Kyrill-Bruderschaft«, sagte der Priester und deutete höchst flüchtig eine Verbeugung an. Seine Stimme klang wohltönend und melodisch. »Ich habe um diese Audienz ersucht, um Euch meine Dienste anzubieten, König Lorian.«
»Und an welche Dienste genau habt Ihr dabei gedacht?«
»Verzeiht,
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