Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
davon erzählen. Du leidest an Schuldgefühlen, das ist völlig normal in deiner Situation. Aber du bist noch jung, und wir werden nicht zulassen, dass sich jemand opfert, der noch den größten Teil seines Lebens vor sich hat, sondern werden jemanden auswählen, der ohnehin nicht mehr lange zu leben hat.«
»Nein«, beharrte Thalinuel. Mit einem Mal schien sich alles völlig klar vor ihr auszubreiten. Alles, was sie bisher getan hatte, hatte sie an diesen Punkt geführt. Dies war ihr Weg, der einzige für sie richtige. »Ich bitte Euch, Majestät, übertragt mir diese Aufgabe. Ich habe so viele Fehler begangen, lasst mich einmal etwas richtig machen.«
»Nur dir haben wir das Ende des Krieges zu verdanken. Das war eine wahrhaft heroische Tat.«
»Das war es nicht«, widersprach Thalinuel. »Es war nur ein weiterer Verrat, wenn auch diesmal für eine gute Sache. Ich bin ein Niemand und gehöre nirgendwohin. Nicht zu den anderen ehemaligen Thir-Ailith und nicht zu den Elben, die dem König die Treue gehalten haben. Ich werde immer die sein, die beide Seiten verraten hat. Wo immer ich hingehe, wird man hinter meinem Rücken tuscheln.« Sie machte eine kurze Pause und atmete tief durch. »Vielleicht sind es wirklich die Schuldgefühle, die mich treiben, und derentwegen ich niemals ein ganz normales Leben werde führen können. All die Unschuldigen, die ich getötet habe … Ihre Gesichter verfolgen mich, und ich werde sie niemals abschütteln können, wenn ein anderer sich opfert und so das zu Ende führt, was ich mit dem Verrat an Molakan begonnen habe. Diese Aufgabe ist für mich bestimmt, für mich ganz allein.«
Larisal schwieg lange Zeit und musterte sie nur durchdringend.
»Seltsam«, murmelte sie schließlich. »Als ich dich zum ersten Mal sah, habe ich genau wie Molakan etwas in dir entdeckt, das den anderen offenbar verborgen bleibt. Du bist vom Schicksal auserwählt, etwas Großes zu vollbringen, das über das Wohl und Wehe vieler entscheidet. Ich dachte, dies hättest du vollbracht, als du dich gegen Molakan gestellt und das Ende dieses Krieges herbeigeführt hast, wodurch das Leben zahlloser anderer Elben gerettet wurde. Aber so ist es nicht, dies war nur ein Teil davon. Vor dir liegt noch mehr Großes, das du vollbringen musst, und mir scheint, als hätte es tatsächlich mit den Thir-Ailith und unserem Vorhaben zu tun, sie in die unterirdischen Kavernen zu verbannen.«
»Ich kann es nicht erklären, aber ich spüre einfach, dass dies mein Weg ist«, behauptete Thalinuel. »Ich weiß es.«
»Gib mir deine Hand.«
Thalinuel tat, was die Königin verlangt hatte. Wieder herrschte für einige Minuten Schweigen, während Larisal nur dasaß, ihre Hand hielt und sie weiterhin anstarrte, dann nickte sie und stand auf.
»Ich besitze die Gabe, weit zu sehen«, sagte sie. »Und obwohl mir verborgen bleibt, welche gewundenen Wege das Schicksal für dich vorgesehen hat, scheint mir doch, dass dies tatsächlich dein Weg ist. Wenn du es also wirklich wünschst, werde ich mit Lotharon darüber sprechen.«
»Das wünsche ich«, erklärte Thalinuel mit fester Stimme.
Oktober 9430 neuer Zeitrechnung der Elben
»Nur widerwillig und nachdem er mehrfach mit mir gesprochen hatte, gab König Lotharon schließlich seine Zustimmung«, berichtete Thalinuel. »Und so kam es dann. Molakan und die anderen Thir-Ailith waren bereits in die unterirdischen Höhlen gebracht worden, als wir am Schattengebirge eintrafen. Lotharon, Larisal und zahlreiche Magier und Krieger begleiteten mich. Sie führten mich tief in den Leib der Erde hinab. Zuvor hatten sie mich in das Geheimnis des Siegels eingeweiht und hatten mich die Bannrune, die ich anbringen sollte, gelehrt. Nachdem sie sich von mir verabschiedet hatten, verschlossen sie den Zugang mit einer gewaltigen Felsplatte, und ich brannte mit einem magisch aufgeladenen Dolch das Siegel hinein. Dann stellte ich mich Molakan und den anderen, trotz des ganzen Geredes über Schicksal nichts anderes erwartend, als dass sie mich aus Rache auf der Stelle töten würden.«
»Aber das taten sie nicht«, warf Barlok ein.
»Nein. Sie behandelten mich nicht gerade gut, aber sie töteten mich nicht, sondern sperrten mich stattdessen in einer kleinen, zellenartigen Höhle ein. Ich bekam Wasser und ekelhafte Flechten, aber erst Wochen später erfuhr ich, dass Molakan mir ein viel schlimmeres Schicksal als den Tod zugedacht hatte. Die fremde Macht jenseits des Tores in Tal’Orin, von der wir nun
Weitere Kostenlose Bücher