Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
weitere Soldaten auf. Die Angelegenheit wurde immer rätselhafter. Da die Tore wie der gesamte Wall fast nur noch symbolische Bedeutung besaßen, taten dort gewöhnlich nur zwei Wachen Dienst. Dass es sich jetzt um eine größere Zahl handelte, war umso sonderbarer, da sich ein Großteil der radonischen Armee am Fuße des Schattengebirges befand und Zarkhadul belagerte.
»Seid gegrüßt«, sagte er und zügelte sein Pferd vor den Soldaten. »Warum ist das Tor geschlossen? Ich bin in großer Eile auf dem Weg nach Norden und habe nicht erwartet, hier aufgehalten zu werden.«
Die Wachen beäugten ihn misstrauisch und ohne jede Freundlichkeit. Ein schnauzbärtiger Offizier machte eine Handbewegung, woraufhin ein Junge von vielleicht elf oder zwölf Jahren aus der Wachstube trat.
»Ist er das?«
Der Junge nickte. »Ja, das ist er. Das ist der Elb, der auf unserem Hof war. Und das ist Safala, unsere Stute. Er hat sie sich einfach genommen«, rief er.
Erst jetzt erkannte Lhiuvan in ihm einen der Knaben, die er auf dem Bauernhof gesehen hatte, und im gleichen Moment begriff er, dass er in Schwierigkeiten steckte. Irgendwie hatte es der Junge geschafft, vor ihm hier zu sein und Anklage gegen ihn zu erheben. Der Bauer schien eine Menge Einfluss zu haben – oder zumindest Freunde bei der Wache – so dass man nur seinetwegen das Tor geschlossen und zusätzliche Soldaten herbeordert hatte.
Er warf einen raschen Blick zu der Wachstube, einem flachen, bunkerartigen Holzgebäude ein Stück zu seiner Linken, doch jetzt konnte er niemanden mehr dort entdecken.
»Es tut mir leid, aber gegen Euch sind schwere Vorwürfe erhoben worden. Ich kann Euch nicht passieren lassen«, sagte der Offizier. »Ihr werdet beschuldigt, das Pferd gestohlen zu haben. Bis zur Klärung dieser Vorwürfe werdet Ihr hierbleiben müssen.«
»Das ist völliger Unsinn«, behauptete Lhiuvan und spürte, wie der Schattenmahr gleichzeitig auf den Schnauzbart einzuwirken begann. »Ich habe keine Zeit dafür. Meine Mission duldet keinen Aufschub, es geht um Leben und Tod. Deshalb solltet Ihr mich jetzt unverzüglich passieren lassen.«
»Natürlich werde ich Euch passieren lassen, wenn es so dringend ist«, erwiderte der Offizier unter dem Bann des Mahrs. »Öffnet das Tor!«
Im gleichen Moment kam aus der Wachstube ein Pfeil geflogen und bohrte sich dicht vor den Vorderhufen des Pferdes in den Boden. Die Stute scheute, doch mühelos brachte Lhiuvan sie wieder unter Kontrolle.
»Hört sofort auf damit!«, ertönte eine Stimme. »Man hat uns vor Euren Taschenspielertricks gewarnt. Hier werdet Ihr damit keinen Erfolg haben.«
Zorn begann in dem Schattenmahr zu brodeln. Die Schwierigkeiten waren größer, als er gedacht hatte, und würden wohl mehr Kraft erfordern als erwartet. Er konnte auch den Willen mehrerer Menschen gleichzeitig beeinflussen, doch war es dafür nötig, dass er ihnen gegenüberstand und sie sah, was bei den Soldaten in der Wachstube nicht der Fall war. Da sie von dieser Einschränkung seiner Fähigkeiten nichts wissen konnten, hatten sie sich wohl einfach dort versteckt, weil das Gebäude ihnen Deckung bot.
Er verstärkte seinen Druck auf den Offizier noch.
»Ich habe gesagt, er darf passieren«, rief dieser und fuhr seinen Begleiter an: »Los, öffne das Tor!«
Der Mahr brauchte nicht einmal nennenswert nachzuhelfen, damit der verwirrte Mann dem barschen Befehl seines Vorgesetzten eingeschüchtert gehorchte und auf das Portal zutrat.
Er kam genau einen Schritt weit, dann strich ein Pfeil haarscharf an seinem Kopf vorbei und blieb vor ihm im Holz des Tores stecken. Zwei weitere Pfeile schlugen dicht vor den Läufen der Stute in den Boden.
»Das war die letzte Warnung!«, ertönte erneut die Stimme aus der Wachstube. »Der nächste Pfeil wird Euch treffen. Pferdediebstahl ist in diesem Land ein schweres Verbrechen, das gilt auch für Elben. Jetzt entlasst unsere Leute aus Eurem Bann, steigt ab und händigt ihnen Eure Waffen aus!«
Der Teil von Lhiuvan, der noch er selbst war, hoffte, dass die Soldaten den Fehler begehen würden, aus der Wachstube zu treten. Nur das würde ihnen das Leben retten, denn um möglichst schnell weiterreiten zu können, würde der Schattenmahr sich damit begnügen, auch ihren Willen zu beeinflussen. Natürlich wollte er, dass das Ungeheuer aufgehalten wurde, aber das würde den Soldaten nicht gelingen. Gegen seine entfesselten Kräfte hatten sie keine Chance, das hatte er bereits beim Kampf gegen die
Weitere Kostenlose Bücher