Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
Über Generationen hat man uns gelehrt, keine zerstörerische Magie anzuwenden, doch anscheinend nur, weil man die Macht fürchtete, die wir dadurch erlangen können. Echte Macht, gegen die selbst ein König hilflos ist.«
»Ihr irrt Euch!«, rief Lotharon. »Zerstörerische Magie frisst denjenigen, der sie anwendet, bis er so wird wie sie: zerstörerisch und finster. Ihr …«
»Geht!«, befahl Molakan, und deutete mit einer Hand in die Ferne. In diesem Moment wirkte er weitaus königlicher als Lotharon, den er wie einen lästigen Bittsteller wegschickte. »Geht und kommt erst wieder, wenn Ihr Euch besonnen habt und uns ein Angebot machen wollt, über das sich wirklich zu reden lohnt, statt nur zu flehen und zu drohen.«
Brüsk wandte Molakan sich ab und verließ die Plattform des Turms. Nach einigen Sekunden wendete auch der König sein Pferd und ritt mit seinen Begleitern zum Heerlager zurück.
Trotz der überwältigenden Größe seines Heers schien er zu einem geschlagenen alten Mann zusammengeschrumpft zu sein.
An diesem Tag gab es keinen weiteren Angriff mehr. Vielleicht wartete Lotharon auf noch weitere Verstärkung, vielleicht musste er erst einmal darüber hinwegkommen, dass er von Molakan wie ein kleines Kind abgekanzelt worden war. Höchstwahrscheinlich jedoch diskutierte er mit seinen Beratern über Taktiken, wie die Festung am besten einzunehmen sei, und welche Möglichkeiten es gab, den Abwehrzauber zu umgehen oder unwirksam zu machen.
Nachdem sie ihre nach seinem Abzug langweilige Wache beendet hatte, nutzte Thalinuel die Gelegenheit, sich in Tal’Orin genauer umzusehen. Sie fühlte sich inmitten der Steinwüste nach wie vor unwohl, doch ein wenig hatte sie sich mittlerweile daran gewöhnt, und es sah ganz danach aus, als ob die Festung für längere Zeit ihr Zuhause sein würde.
Nein, so durfte sie nicht einmal denken, korrigierte sie sich in Gedanken gleich darauf selbst. Ein Zuhause würde Tal’Orin niemals für sie werden, sondern nur ihr Aufenthaltsort für die nächste Zeit.
Nichts von dem, was sie zu sehen bekam, vermochte irgendetwas an dieser Einstellung zu ändern. Neben den Gebäuden, die sie bereits kennengelernt hatte, vor allem den Schlaf- und Essensräumen, gab es noch zahlreiche weitere, beispielsweise die große Versammlungshalle, deren Bau sie teilweise miterlebt hatte, die riesigen Stallungen für zehntausende Pferde, mehrere Küchen, sowie gigantische Lager für Nahrungsmittel und Waffen.
So wenig ihr all dies gefiel, sie musste die Weitsicht bewundern, mit der Molakan schon lange im Voraus für einen Fall wie diesen geplant hatte. Es war völlig unmöglich, dass Tal’Orin innerhalb weniger Wochen auf den Ruinen eines früheren Heiligtums aus dem Boden gestampft worden war. Die Arbeiten mussten schon wesentlich früher begonnen haben, als sie bislang geglaubt hatte.
Zu ihrer Verwunderung gab es allerdings auch einige wenige Gebäude, zu denen ihr der Zugang verwehrt wurde. Dazu gehörte der hohe Turm im Zentrum der Festung, unmittelbar neben der Versammlungshalle, von dem aus Molakan und die anderen Magier ihren Zauber zur Abwehr der königlichen Truppen gewoben hatten, aber auch einige weitere, über deren Verwendungszweck sie nicht einmal etwas erfuhr.
Die meisten dieser Gebäude waren einfach nur verschlossen, doch eines erregte ihre besondere Aufmerksamkeit. Es war ein völlig fensterloser Bau, der so versteckt zwischen den zahllosen riesigen Ställen lag, dass sie ihn überhaupt nur durch Zufall entdeckte. Auch nachdem sie ihn bemerkt hatte, hätte sie ihm vermutlich keine Beachtung geschenkt, sondern ihn für ein Futterlager oder dergleichen gehalten, wenn nicht ein Wachposten vor der Tür gestanden hätte. Das erweckte ihre Neugier, und sie trat auf ihn zu.
»Was ist das für ein Haus? Was befindet sich darin?«, erkundigte sie sich im Plauderton.
»Ich bedauere, aber darüber darf ich keine Auskunft geben«, erwiderte der Wachposten. Thalinuel kannte ihn nicht, selbst vom flüchtigen Ansehen her war sein Gesicht ihr völlig unbekannt. Vermutlich war er nicht mit in den Krieg gegen König Hollan gezogen, sondern hatte hier den Fortgang der Bauarbeiten überwacht.
War ihre Neugier zunächst nur vager Verwunderung über ein bewachtes Gebäude entsprungen, so fachte die Antwort ihr Interesse für den Grund der Geheimniskrämerei erst richtig an. Außerdem weckte sie ihren Ärger. Was gab es innerhalb Tal’Orins zu verbergen, dass nicht einmal sie davon erfahren
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