Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Endlich wurde das
Terrain wieder flacher, und sie erreichten ein kleines Wäldchen, das fast
ausschließlich aus Nadelbäumen bestand. Von oben keckerte aufgebracht ein
Eichelhäher. Ansonsten war es sehr still, denn der mit Fichtennadeln bedeckte
Waldboden dämpfte ihre Schritte. Auf einmal knackte es dicht hinter ihnen laut
im Unterholz, und sie fuhren erschrocken zusammen. Fiona stieß einen spitzen
Schrei aus – aber es war nur ein Reh, das mit eleganten Sätzen
davonsprang.
»Hast du gedacht, die Säuerlich kommt rausgesprungen?«,
kicherte Maya erleichtert und puffte Fiona in die Rippen.
»Jetzt könnten wir eine Pause machen«, schlug
Larin vor. Sie suchten sich ein paar größere sonnenbeschienene Steinbrocken am
Rand des Wäldchens und setzten sich einander gegenüber. »Mann, hab ich
Hunger!«, schrie Max und stürzte sich auf den Proviant. Sie aßen und tranken
mit Appetit, bis …
»AAAAH!« Max starrte entsetzt auf das Wäldchen.
Die anderen fuhren herum, und Larin sprang auf. »Was ist los?«, fragte er.
Max keuchte. »Ein Gesicht! Ein Gesicht von
irgendetwas Widerlichem hat mich angestarrt! Das sah nicht aus wie ein Mensch!
Eine scheußliche Fratze war das!«
Larin zog seinen Zauberstab (obwohl er nicht
mehr funktionierte) und ging auf das Wäldchen zu.
»Sei vorsichtig!« Fiona klammerte sich an Maya.
»Das war echt gruselig, Mann«, flüsterte Max.
»Wir sollten ihn nicht allein nachsehen lassen.«
Maya löste Fionas Finger, die sich in ihren Arm verkrallt hatten, und ging ihm
entschlossen nach. Sie tauchte in das grüne Dickicht des Waldes ein. »Warte!«
Larin drehte sich um. »Hier ist niemand«, meinte
er.
»Bist du sicher?«
»Na ja, zumindest ist jetzt keiner mehr da, was auch immer das gewesen sein mag.«
»Dann sollten wir sehen, dass wir weiterkommen.«
Larin nickte knapp. Fiona und Max hatten bereits
hastig die Rucksäcke zusammengepackt, und so setzten sie ihren Aufstieg fort.
Mayas Herz klopfte noch ziemlich schnell, aber
je weiter sie sich von dem Wäldchen entfernten, desto ruhiger wurde sie. Wer
weiß, was Max gesehen hatte, vielleicht war es nur ein harmloses Tier hinter
einem bizarr geformten Zweig gewesen, oder Blätter, die sich im Wind bewegt
hatten. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass die Säuerlich oder die
Olm-Grottendunk persönlich ihre Verfolgung aufnahmen, obendrein in dieser
unwegsamen Gegend und im steilen, felsigen Gelände. Maya ließ sich dieses Bild
amüsiert durch den Kopf gehen: Die zwei Frauen im wehenden Mantel, eine davon
in Schweinchenrosa mit buntgeblümtem Flatterschal, wie sie schnaufend und mit
wackelndem Mehrfach-Kinn den Berg hochpflügten. ›Wahrscheinlich würden sie eine
Gerölllawine auslösen‹, vermutete sie.
»Danke!« Fiona japste nach Luft, als Larin ihr
über ein anstrengendes steiles Stück geholfen hatte. »Wo nimmst du bloß die
Kondition her?«
»Keine Ahnung.« Er zuckte mit den Schultern und
sah sich um. »Immer noch keine Spur von einem Wasserfall oder dem
Säuerlichfelsen. Dabei hab ich gedacht, von hier oben hat man einen guten
Überblick. Ich kann mich an das Wäldchen erinnern, also sind wir auf dem richtigen
Weg, aber danach kommt mir nichts mehr bekannt vor.«
»Ich wundere mich, dass du überhaupt etwas
wiedererkennst«, sagte Maya. »Du warst ziemlich benommen, es gab ein übles
Gewitter und bis auf die Blitze war es rabenschwarz.«
Fiona schlug fröstelnd die Arme um ihren Körper.
Trotz der Anstrengung war ihr reichlich kalt geworden. »Ich verstehe nicht,
warum nirgendwo ein Bach zu sehen ist, Wasserfälle entstehen schließlich nicht
aus dem Nichts.«
»Er könnte unterirdisch fließen.« Max
begeisterte sich gerade für seine Idee. »Ich hab da mal Bilder gesehen
über …«
»Jaja, ich weiß«, stöhnte Fiona, »ich möchte es
mir nur nicht vorstellen. Mein Traum war immer, tagelang durchs Gebirge zu
rennen auf der Suche nach unterirdischen Bächen und verborgenen Wasserfällen.«
Frustriert ließ sie sich auf einen Geröllbrocken plumpsen.
»Hier wird es eindeutig zu steil.« Maya sah
abschätzend den Berg hoch. »Von da oben kann der Mann nicht gekommen sein,
selbst wenn er sein Pferd geführt hat.«
»Also müssen wir wieder zurück, tut mir leid«,
sagte Larin enttäuscht.
»Wollen wir’s da drüben versuchen?« Maya deutete
auf eine Gruppe von Fichten, die links unterhalb von ihnen lag.
Fiona kniff die Augen zusammen. »Da sieht’s
neblig aus.«
»Ja, und? Ist doch egal«, meinte
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