Elementarteilchen kuessen besser
mitreißenden Refrain jede Frau im Saal verrückt. Gerade weil seine Bewegungen sparsam ausfielen, hatten sie den größtmöglichen Effekt. Die Stimmung im Saal kochte über.
Bei allen – außer bei Linda. Schon nach den ersten Zeilen war ein angenehmer Schauer über ihren Rücken gerieselt, der siedend heiß über ihrem Steißbein endete. Seine Stimme klang nicht wie die von Elvis. Dafür war sie etwas zu rau. Aber sie musste zugeben, dass er dessen erotisches Timbre recht gekonnt imitierte, wodurch er doch wieder wie Elvis wirkte. Eine etwas rauere Version davon – wie Honig, der zähflüssig über ein Reibeisen gleitet ...
Wie hypnotisiert saß sie auf ihrem Platz und lauschte seiner Darbietung. Er verstand es, das Publikum mit Nuancen seiner geheimnisvoll heiseren Stimme anzuheizen wie einen Hochofen. Ein kurzer Seufzer ins Mikrofon, eine dezent angedeutete Zuckung mit seiner Hüfte und die Frauen kreischten. Philipp war wirklich talentiert.
Linda war von seiner Stimme völlig in den Bann gezogen. Sie saß da und spürte, wie sich sein Gesang wie eine wohltuende Flüssigkeit in ihrem Inneren verteilte, alle Organe umspülte und eine wohlige Wärme hinterließ, die sie nicht mehr hergeben wollte. Sie hatte das vertraute Gefühl, heimgekommen zu sein.
Noch bevor der letzte Ton des Liedes verklungen war, tobte der Saal. Die Männer klatschten und pfiffen durch die Zähne, die Frauen sprangen auf und kreischten in den höchsten Tönen.
Linda war noch zu benommen, um gleich reagieren zu können. Zeitverzögert begann auch sie zu klatschen, war aber nicht fähig aufzustehen, da sich ihre Knie genau so fest anfühlten wie weiche Butter.
Schon war wieder Juan auf der Bühne, bedankte sich bei Philipp für den besten Elvis aller Zeiten und entließ ihn auf seinen Platz, wo er mit großem Hallo und einem zärtlichen Kuss auf den Mundwinkel von seiner Kollegin begrüßt wurde. Der Entertainer verkündete, dass es nun Zeit für eine halbstündige Pause sei, nach der er hoffentlich wieder viele Freiwillige auf der Bühne begrüßen dürfe.
Schon standen einige Übereifrige auf und steckten die Köpfe vor einem Bildschirm am Bühnenrand zusammen, auf dem vermutlich eine Datenbank aller Karaoke-Titel angezeigt wurde.
Betty war noch ganz außer Atem und fächelte sich mit der Getränkekarte etwas Luft zu. „Mein lieber Herr Gesangsverein, das war eine Darbietung! Der hat alle weiblichen Hormone in diesem Saal schwer in Wallung gebracht. Wenn der im Bett das hält, was er auf der Bühne verspricht, solltest du dir gut überlegen, Linda, ob du seine Ausstattung nicht für einen One-Night-Stand nutzen solltest!“
Bevor Betty richtig loslegen konnte, entschuldigte sich Linda mit der Begründung, sie müsse dringend zur Toilette. Sie hatte jetzt das Bedürfnis, allein zu sein. Diskussionen über Philipp und dessen beeindruckenden Auftritt hätte sie gerade nicht ertragen, dafür war sie zu aufgewühlt.
Konzentriert ging sie um die aufgestellten Bistrotische herum, ohne – oh Wunder! – irgendwo dagegen zu stoßen, während sie nach dem Toilettenschild Ausschau hielt. Im hinteren Teil der Bar entdeckte sie einen Pfeil, der den Weg zu einem bunten Paravent mit farbenfrohen Papageien wies, hinter dem die Toilettentüren sein mussten.
Etwas außer Atem öffnete sie eine der drei Kabinen in der Damentoilette und setzte sich auf den heruntergelassenen Deckel. Nun konnte sie mit geschlossenen Augen tief in den Bauch atmen, um das befürchtete Hyperventilieren abzuwenden.
Das Kribbeln in ihren Handflächen, das in der letzten Minute stetig zugenommen hatte, wurde erträglicher, bis es ganz aufhörte. Das Zittern in ihrem Körper hatte aber noch nicht vollständig nachgelassen.
In ihrem Leben war es bis jetzt nur einem einzigen Sänger gelungen, mit seiner Stimme tief in ihrem Inneren eine Saite zum Klingen zu bringen, die ihr Leben – im positiven Sinne – in seinen Grundfesten erschütterte. Das war der Sänger Roger Cicero mit seiner Big Band. Die Swingtitel gepaart mit den genialen deutschen Texten und seiner unvergleichlichen, samtartigen Stimme berührten sie tief und trafen sie voll ins Herz – egal wie oft sie seine CDs auch anhörte.
Nun musste sie erst einmal mit der Erkenntnis fertig werden, dass es auch Philipp mühelos gelungen war, sie mit seiner Stimme so tief in ihrer Seele zu berühren, dass sie sein Echo in ihrem Inneren immer noch wahrnehmen konnte. Während sie nun hier saß und den süßen Nachhall
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