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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Gewohnheit; im Grunde, das war eindeutig, scherte er sich einen Dreck darum. Er setzte sie mitten auf dem Landgut ab und sagte ihnen, sie könnten ihr Zelt aufbauen, wo sie wollten; er hatte Lust, sich ins Bett zu legen, möglichst ohne jemandem zu begegnen. Äußerlich stellte er noch vorzüglich den Typ des besonnenen, sinnlichen Mannes dar, in dessen Augen Ironie oder gar Weisheit funkelte; ein paar besonders dumme Mädchen hatten in seinem Gesicht sogar etwas Strahlendes, Wohlwollendes zu entdecken geglaubt. Er empfand sich selbst durchaus nicht als wohlwollend, und außerdem hatte er den Eindruck, ein mittelmäßiger Schauspieler zu sein: Wie hatten sie nur alle auf ihn hereinfallen können? Also wirklich, sagte er sich manchmal etwas traurig, diese jungen Leute auf der Suche nach neuen spirituellen Werten, waren echt bescheuert.

    Bereits wenige Sekunden nachdem sie aus dem Jeep gestiegen waren, begriff Bruno, daß er einen Fehler begangen hatte. Das Gelände fiel in sanften Wellen nach Süden ab, war mit Sträuchern und Blumen bewachsen. Ein Wasserfall ergoß sich in ein tiefes natürliches Becken mit ruhigem grünen Wasser; direkt daneben lag eine nackte Frau auf einem flachen Felsen, um sich von der Sonne trocknen zu lassen, während sich eine andere einseifte, ehe sie ins Wasser sprang. Etwas näher bei ihnen kniete ein großer bärtiger Typ und meditierte oder schlief Auch er war nackt und sehr gebräunt; sein langes, strohblondes Haar zeichnete sich scharf gegen seine dunkle Haut ab; er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Kris Kristofferson. Bruno fühlte sich entmutigt; aber was hätte er anderes erwarten sollen? Vielleicht war es noch früh genug, um wieder abzureisen, vorausgesetzt, sie taten es sofort. Er warf seinen Gefährten einen Blick zu: Mit einer erstaunlichen Ruhe begann Annabelle, ihr Zelt auszupak-

    ken; Michel saß auf einem Baumstumpf und spielte mit der Kordel seines Rucksacks; er wirkte völlig abwesend.

        Das Wasser folgt dem Weg des geringsten Widerstands. Das menschliche Verhalten, das in seinem Prinzip und fast allen seinen Handlungen determiniert ist, läßt nur wenige Gabelungen zu, und diese Gabelungen selbst werden kaum genutzt. 1950 bekam Francesco di Meola einen Sohn von einer italienischen Schauspielerin, einer zweitrangigen Schauspielerin, die nie über die Rolle ägyptischer Sklavinnen hinauskam und es schaffte - das war der Höhepunkt ihrer Laufbahn -, in Quo vadis? zweimal das Stichwort zu geben. Sie nannten ihren Sohn David. Im Alter von fünfzehn träumte David davon, ein Rockstar zu werden. Er war nicht der einzige. Obwohl sie viel reicher als ein Generaldirektor oder ein Bankier waren, behielten die Rockstars dennoch das Image eines Rebellen. Jung, schön, berühmt, von allen Frauen begehrt, von allen Männern beneidet, bildeten die Rockstars die absolute Spitze der sozialen Rangordnung. Seit der Anbetung der Pharaonen im alten Ägypten hat es in der Geschichte der Menschheit nichts gegeben, das sich mit der kultischen Verehrung vergleichen ließ, die die europäische und amerikanische Jugend den Rockstars entgegenbrachte. Was sein Äußeres anging, erfüllte David alle Voraussetzungen, um sein Ziel zu erreichen: Er war von absoluter, zugleich animalischer, teuflischer Schönheit; hatte ein markantes Gesicht, das dennoch äußerst reine Züge besaß; langes dichtes, leicht gewelltes schwarzes Haar; große, tiefblaue Augen.
        Dank der Beziehungen seines Vaters konnte David bereits im Alter von siebzehn eine erste Single aufnehmen; es wurde ein totaler Mißerfolg. Man muß allerdings sagen, daß im selben Jahr Sergeant Peppers, Days of Future Passed und viele andere Platten herauskamen. Jimi Hendrix, die Rolling, Stones, die Doors befanden sich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens; Neil Young begann, Platten aufzunehmen, und man erwartete noch viel von Brian Wilson. Es gab in jenen Jahren einfach keinen Platz für einen annehmbaren, aber wenig erfinderischen Baßgitarristen. David ließ sich nicht davon entmutigen, wechselte viermal die Band, probierte verschiedene Formationen aus; drei Jahre nach der Abreise seines Vaters beschloß auch er, sein Glück in Europa zu Versuchen. Er fand ohne Schwierigkeiten ein Engagement in einem Klub an der Côte d'Azur, das war kein Problem; jeden Abend warteten mehrere Mädchen hinter der Bühne auf ihn, auch das war kein Problem. Aber in keiner einzigen Plattenfirma interessierte sich auch nur irgend jemand für seine

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