Elenium-Triologie
wird der Vikar einer bedürftigen Kirche nicht zu viele Fragen stellen, wenn eine Spende zu erwarten ist.«
Sperber holte einen Lederbeutel aus seinem Wams. Er schüttelte ihn ein paarmal, und das Klimpern von Münzen war unüberhörbar.
»Also gut, meine Herren«, sagte er und zog die Verschluß-schnur des Beutels auf, »kommen wir jetzt zu jenem Teil, der euch allen sicherlich der liebste ist – die Kollekte. Gott schätzt einen freigebigen Spender, also geniert euch nicht. Der Vikar wird Geld brauchen, um Pilger aufzutreiben.« Er ließ den Beutel reihum gehen.
»Meinst du, Gott würde auch einen Schuldschein von mir annehmen?« fragte Kalten.
»Gott vielleicht. Ich nicht. Steck was in den Beutel, Kalten.«
Die Gruppe, die sich am nächsten Morgen im Hof des Gasthauses einfand, war ausnahmslos ärmlich gekleidet – Witwen in geflicktem Trauergewand, arbeitslose Handwerker und mehrere ausgehungerte Bettler. Sie saßen allesamt entweder auf mitleiderregenden Kleppern oder müden Maultieren. Sperber betrachtete sie vom Fenster aus. »Weise den Wirt an, ihnen zu essen zu geben«, wandte er sich an Kalten.
»Es sind aber ziemlich viele, Sperber«, gab dieser zu bedenken.
»Ich möchte nicht, daß sie eine Meile außerhalb der Stadt vor Hunger aus dem Sattel kippen. Kümmere du dich darum, während ich mit dem Vikar spreche.«
»Was immer du sagst.« Kalten zuckte die Schultern. »Soll ich sie vielleicht auch baden? Einige sehen arg ungewaschen aus.«
»Das wird nicht nötig sein. Laß auch ihre Pferde und Maultiere füttern.«
»Findest du das nicht übertrieben großzügig?«
»Du darfst gern die Pferde schleppen, die unterwegs zusammenbrechen.«
»Oh! Ich kümmere mich sofort um alles.«
Der Vikar der armen Kirche war ein dünner, bekümmert wirkender Mann in den Sechzigern. Er hatte silbergraues Kraushaar und tiefe Sorgenfalten. »Euer Gnaden.« Er verbeugte sich untertänig vor Sperber.
»Es genügt, wenn Ihr mich ›Pilger‹ nennt, guter Vikar. Im Dienste Gottes sind wir alle gleichgestellt. Meine Gefährten und ich möchten uns lediglich Euren frommen Gemeindemitgliedern anschließen, um mit ihnen nach Madol zu pilgern, damit wir an den heiligen Schreinen um Trost für unsere Seelen beten können, im Bewußtsein der unendlichen Güte Gottes.«
»Gut gesagt – äh – Pilger.«
»Würdet Ihr bei uns am Tisch Platz nehmen, guter Vikar?« lud Sperber ihn ein. »Wir haben viele Meilen vor uns, ehe wir uns heute abend zur Ruhe begeben können.«
Die Augen des Vikars leuchteten auf. »Es wäre mir eine Ehre, Euer Gnaden – äh, verzeiht – Pilger wollte ich sagen.«
Die Verköstigung der cammorianischen Pilger und Fütterung ihrer Reittiere dauerte eine ziemliche Zeit und erschöpften die Küchen- und Futtervorräte.
»Nie sah ich Leute so viel essen«, brummelte Kalten. Er hatte sich einen dicken, einfachen Umhang umgeworfen und war gerade dabei, sich auf dem Hof des Gasthauses in den Sattel zu schwingen.
»Sie waren hungrig«, entgegnete Sperber. »Zumindest können wir dafür sorgen, daß sie ein paar gute, reichliche Mahlzeiten kriegen, ehe sie nach Borrata zurückkehren müssen.«
»Wohltätigkeit, Ritter Sperber?« fragte Bevier. »Das paßt doch nicht zu Pandionern! Eure grimmigen Kameraden sind nicht gerade für ihre Feinfühligkeit und Großzügigkeit bekannt.«
»Wie wenig Ihr sie doch kennt, Ritter Bevier«, murmelte Sephrenia. Sie ließ sich auf ihren Schimmelzelter helfen, dann beugte sie sich aus dem Sattel und bedeutete Flöte aufzusitzen, doch die Kleine schüttelte den Kopf. Sie trippelte zu Faran und streckte ein Händchen aus. Der mächtige Fuchs senkte den Kopf, und sie streichelte seine samtige Nase. Sperber spürte, wie ein seltsames Zittern den Körper seines Pferdes durchzog. Dann streckte Flöte fordernd die Hand zu dem großen Pandioner hoch. Ernst beugte Sperber sich zur Seite, hob die Kleine auf ihren gewohnten Platz vor dem Sattel und schlang seinen Umhang auch um sie. Sie kuschelte sich an ihn, holte ihre Syrinx heraus und spielte die gleiche Mollweise wie damals, als die Ritter sie gefunden hatten.
Der Vikar an der Spitze ihres Zuges stimmte ein kurzes Gebet an, um den Schutz des elenischen Gottes während ihrer Reise zu erbitten – ein Gebet, das mehrmals von fragenden, ja skeptischen Trillern aus Flötes Syrinx übertönt wurde.
»Benimm dich!« mahnte Sperber leise. »Er ist ein guter Mann und tut, was er für richtig hält.«
Sie rollte schelmisch die
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