Elenium-Triologie
lieber verborgen geblieben wären. Sie hatte keinerlei Geheimnisse vor ihm, und er hatte sie kennengelernt wie sonst keinen Menschen auf der Welt – was Sperber ungeeignet für jede andere Frau gemacht hatte. Denn die kindliche Prinzessin hatte ihr ganzes Sein so sehr mit seinem verflochten, daß es keine Möglichkeit geben konnte, dieses Band jemals zu durchtrennen. Dies war letztendlich auch der Grund, weshalb sie sich jetzt hier befanden. Hätte er nur den eigenen Schmerz ertragen müssen, hätte Sperber vielleicht nein zu sagen vermocht. Doch ihren Schmerz konnte er nicht ertragen, und so…
Die Hymne endete. König Obler übergab seine Anverwandte ihrem Ritter, und Braut und Bräutigam wandten sich Erzprälat Dolmant zu.
Dolmant sprach vom Stand der Ehe – ziemlich lange. Dann erklärte er dem Brautpaar, es würde ›Gottes Wille‹ entsprechen, wenn sie, nachdem die Trauung vollzogen war, ihren natürlichen Neigungen folgten – ja, nicht nur ›Gottes Wille‹, sondern ›Gottes Wunsch‹. Er forderte sie auf, einander treu zu sein und erinnerte sie, daß ihre Kinder im elenischen Glauben erzogen werden mußten. Endlich kam er zu den »Willst-dus«. Nachdem beide laut ihr Jawort gegeben hatten, durften sie einander die Ringe anstecken, die nicht einmal Talen hatte stehlen können.
In diesem Augenblick vernahm Sperber sanfte, vertraute Töne, die von der Kuppel herab zu klingen schienen. Es war das weiche Trillern einer Syrinx, voll Freude und tiefer Liebe. Sperber blickte rasch zu Sephrenia. Ihr glückliches Lächeln sagte ihm alles. Flüchtig stellte er sich die völlig unsinnige Frage, welches Protokoll wohl erforderlich gewesen war, als Aphrael den elenischen Gott um Erlaubnis ersucht hatte, an der Trauung teilzunehmen und, wie es aussah, ihren Segen dem seinen hinzuzufügen.
»Was ist das für eine Musik?« wisperte Ehlana, ohne die Lippen zu bewegen.
»Ich erkläre es dir später«, murmelte Sperber.
Den anderen im kerzenbeleuchteten Kirchenschiff schienen Aphraels Flötenklänge nicht aufzufallen. Dolmants Augen jedoch weiteten sich, und er wurde blaß. Doch er gewann seine Fassung rasch wieder und erklärte Sperber und Ehlana schließlich zu Mann und Frau. Dann erflehte er in einem ansprechenden kleinen Schlußgebet Gottes Segen auf sie herab und gab Sperber endlich die Erlaubnis, seine Braut zu küssen.
Behutsam hob Sperber Ehlanas Schleier, und seine Lippen fanden sanft die ihren. Niemand küßt in aller Öffentlichkeit sehr gut, doch dem jungen Paar gelang es, ohne dabei verlegen zu wirken.
Der Trauung folgte sogleich Sperbers Krönung zum Prinzgemahl. Er kniete nieder, damit ihm die junge Frau, die soeben, unter anderem, versprochen hatte, ihm zu gehorchen – nun jedoch die Autorität seiner Königin ausübte – die Krone aufsetzen konnte, die Kurik auf einem purpurnen Samtkissen in die Kirche getragen hatte. Dann hielt Ehlana eine hübsche Rede. Sie sagte so allerlei über Sperber, hauptsächlich Schmeichelhaftes, und schloß damit, daß sie ihm die Krone fest auf den Kopf drückte. Und dann, weil er kniete und sein zu ihr emporgerichtetes Gesicht dazu verlockte, küßte sie ihn wieder. Er stellte fest, daß sie mit jedem Mal besser wurde. »Jetzt bist du mein , Sperber«, murmelte sie, während ihre Lippen noch die seinen berührten. Dann, obwohl er alles andere als altersschwach war, half sie ihm auf die Füße. Mirtai und Kalten kamen mit hermelinverbrämten Capes herbei und legten sie um die Schultern des Königspaares. Dann drehten die beiden sich um, um die Jubelrufe der Menschenmenge im Kirchenschiff entgegenzunehmen.
Der Zeremonie folgte ein Hochzeitsmahl. Sperber erinnerte sich nicht, was aufgetragen worden war und ob er irgend etwas gegessen hatte. Er erinnerte sich lediglich, daß er das Gefühl gehabt hatte, es würde nie zu Ende gehen. Doch dann, endlich, wurden er und seine Braut zur Tür eines prächtigen Gemachs geleitet, in einem oberen Stockwerk des Ostflügels eines der Häuser des Kirchenkomplexes. Sie traten ein, und er verschloß die Tür hinter ihnen.
Natürlich standen Möbel in diesem Gemach – Sessel, Tische, Diwane – doch das einzige, was Sperber wirklich sah, war das Bett, ein hohes Himmelbett auf einem breiten Podest.
»Endlich!« Ehlana seufzte erleichtert. »Ich hatte schon befürchtet, das alles würde nie ein Ende nehmen.«
»Ich auch«, gestand Sperber.
»Sperber«, sagte sie, und nun war ihre Stimme nicht die selbstsichere einer Königin.
Weitere Kostenlose Bücher