Elenium-Triologie
aus dem Lager reiten sähe, würde er euch wahrscheinlich folgen, um euch näher in Augenschein zu nehmen. Die Gegend im Süden ist ziemlich flach, da kann man es schon wagen, im Dunkeln zu reiten. Viel Glück, mein Freund. Ihr tragt eine große Last. Wir werden für Euch beten – wenn wir nicht gerade damit beschäftigt sind, Zemocher zu töten.«
Der Mond glitt gerade hinter einer von vielen weit verstreuten Wolken hervor, als Sperber aus dem Zelt trat, um ein bißchen frische Luft zu schöpfen. Stragen folgte ihm.
»Eine schöne Nacht«, sagte der schlanke blonde Mann mit der wohlklingenden Stimme.
»Aber ziemlich kalt«, erwiderte Sperber.
»Wer möchte schon in einem Land endlosen Sommers leben? Ich werde Euch wahrscheinlich nicht mehr sehen, bevor Ihr aufbrecht, Sperber. Ich bin nicht gerade ein Frühaufsteher.« Stragen langte in sein Wams und zog ein Päckchen hervor, das etwas dicker war als die bisherigen Briefe. »Das ist der letzte«, sagte er und überreichte Sperber das Päckchen. »Ich habe den Auftrag ausgeführt, den Eure Königin mir auferlegt hat.«
»Ihr habt es gut gemacht, Stragen – nehme ich an.«
»Ein bißchen mehr Anerkennung hätte ich schon von Euch erwartet, Sperber. Ich habe Ehlanas Befehl getreu befolgt.«
»Ihr hättet Euch einen langen Ritt ersparen können, wenn Ihr mir die Briefe alle auf einmal ausgehändigt hättet.«
»Der Ritt hat mir nichts ausgemacht. Ich mag Euch und Eure Gefährten, wißt Ihr – natürlich nicht genug, um mich mit Eurer protzigen Aristokratie anzufreunden, aber ich mag Euch wirklich.«
»Ich mag Euch auch, Stragen – natürlich nicht genug, um Euch zu trauen, aber ansonsten durchaus.«
»Vielen Dank, Herr Ritter.« Stragen machte eine übertriebene Verbeugung.
Sperber grinste. »Nichts zu danken, Durchlaucht.«
»Seid vorsichtig in Zemoch, mein Freund«, sagte Stragen nun ernst. »Eure junge Königin mit ihrem eisernen Willen imponiert mir sehr, wißt Ihr, und ich möchte nicht, daß Ihr irgend etwas Dummes tut, das ihr das Herz brechen könnte. Noch etwas. Wenn Talen Euch auf etwas aufmerksam macht, dann nehmt es ernst! Ich weiß, er ist noch sehr jung – und ein Dieb obendrein –, doch sein Instinkt ist beneidenswert und sein Verstand erstaunlich. Einem Mann mit seiner Intelligenz begegnet man nicht oft im Leben. Außerdem hat er Glück. Möge der Sieg mit Euch sein, Sperber. Ich möchte nicht Azash anbeten müssen.« Er verzog das Gesicht. »Genug davon. Hin und wieder neige ich zur Rührseligkeit. Kehren wir ins Zelt zurück und brechen einer oder zwei Flaschen den Hals – außer Ihr wollt Euren Brief gleich lesen.«
»Ich glaube, das hebe ich mir noch auf. Vielleicht warten freudlose Tage in Zemoch auf mich. Dann bin ich dankbar, daß ich noch ein wenig Sonnenschein in Reserve habe.«
Die Wolken hatten sich vor den Mond geschoben, als sie am frühen Morgen ihre Pferde sattelten. Bevor sie aufsaßen, erklärte Sperber seinen Gefährten die Strecke und wies nachdrücklich auf die Orientierungspunkte hin, die Kring ihm beschrieben hatte.
Die Dunkelheit war fast undurchdringlich. »Wir können im Kreis reiten, ohne daß wir es bemerken«, beschwerte Kalten sich leicht verdrossen. Er war in der vergangenen Nacht noch lange mit den Peloi beisammen gesessen, und als Sperber ihn aufgeweckt hatte, waren seine Augen blutunterlaufen gewesen und seine Hände zittrig.
»Reitet einfach weiter, Kalten«, riet ihm Sephrenia.
»Natürlich«, entgegnete er sarkastisch, »aber wohin?«
»Nach Südosten.«
»Gut. Und wo liegt Südosten?«
»Dort!« Sie deutete in die Dunkelheit.
»Woher wißt Ihr das?«
Sie redete rasch in styrischer Sprache zu ihm. »So, nun wißt Ihr es«, sagte sie.
»Kleine Mutter, ich habe kein Wort verstanden.«
»Das ist nicht meine Schuld, Lieber.«
Der Morgen graute spät an diesem Tag, da die Wolkenbank im Osten offenbar besonders dicht war. Während sie südwärts ritten, wurden allmählich die Umrisse zerklüfteter Berggipfel sichtbar, Meilen entfernt im Osten – Berge, die nur in Zemoch liegen konnten.
Am späten Vormittag zügelte Kurik sein Pferd. »Dort ist der rote Gipfel, den du erwähnt hast, Sperber.« Er deutete mit der Hand.
»Sieht aus, als würde er bluten, nicht wahr?« bemerkte Kalten. »Oder sind das nur meine Augen?«
»Vielleicht ein bißchen von beidem, Kalten«, rügte Sephrenia. »Ihr hättet gestern nacht nicht soviel Bier trinken sollen.«
»Das hättet Ihr mir gestern abend raten
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