Elenium-Triologie
waren. Talen kehrte das nächste Mal mit abfälliger Miene zurück, wie ein zuckender Blitz verriet. »Ein Stück voraus ist wieder eine Streife«, berichtete er, »das Problem ist nur, daß sie nicht patrouilliert. Es sieht ganz so aus, als wären die Soldaten in eine Weinhandlung eingebrochen. Jedenfalls sitzen sie mitten auf der Straße und saufen.«
Ulath zuckte die Schultern. »Dann machen wir eben durch die Nebenstraßen einen Bogen um sie.«
»Geht leider nicht«, entgegnete Talen. »Diese Straße hat keine Seitengassen. Ich habe keine Möglichkeit gefunden, sie zu umgehen. Soweit ich das feststellen konnte, ist diese Straße die einzige in diesem Stadtteil, die zum Palast führt. Die Stadt ist überhaupt seltsam angelegt. Offenbar führt keine einzige Straße dorthin, wohin sie führen soll.«
»Und mit wie vielen Trinkern haben wir es zu tun?« fragte Bevier.
»Fünf oder sechs.«
»Haben sie Fackeln?«
Talen nickte. »Sie sind unmittelbar hinter der nächsten Biegung.«
»Wenn ihnen die Fackeln in die Augen leuchten, werden sie in der Dunkelheit nicht viel sehen.« Bevier spannte die Muskeln und schwang andeutungsweise die Axt.
»Was meinst du?« wandte Kalten sich an Sperber.
»Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß sie uns ohne Nachdruck den Weg frei machen.«
Es war mehr ein Hinschlachten, denn ein Kampf. Die Zecherei war so weit fortgeschritten, daß die Soldaten der Streife sträflich unachtsam waren. Die Ordensritter schritten einfach auf sie zu und hieben sie nieder. Nur einer schrie kurz auf, doch sein Schrei verlor sich in einem gewaltigen Donnerknall.
Wortlos zerrten die Ritter die Leichen zu einem nahen Eingang und verbargen sie dort. Dann scharten sie sich schützend um Sephrenia und folgten der breiten, immer wieder von Blitzen erhellten Straße auf das Meer rauchiger Fackeln zu, das Othas Palast zu umgeben schien.
Wieder vernahmen sie dieses Heulen, das so gar nicht menschlich klang. Talen kehrte zurück. Diesmal machte er keine Anstalten, außer Griffweite zu bleiben. »Der Palast ist gleich da vorn«, meldete er. Er sprach trotz des jetzt fast unaufhörlichen Donners leise. »Posten halten Wache davor. Sie tragen merkwürdige, mit Stahlspitzen gespickte Rüstungen. Sie sehen wie Stachelschweine aus.«
»Wie viele?« fragte Kalten.
»Mehr als ich Zeit zum Zählen hatte. Hört Ihr dieses seltsame Heulen?«
»Ich habe mich bemüht, es nicht zu hören.«
»Gewöhnt Euch lieber daran. Es kommt von den Wachen.«
Othas Palast war größer als die Basilika in Chyrellos, aber von keinerlei baulichen Schönheit. Otha hatte sein Leben als Ziegenhirt begonnen, und das Leitmotiv seines Geschmacks ließ sich am ehesten in dem einen Wort ›groß‹ ausdrücken. Soweit es ihn betraf, war größer gleichbedeutend mit besser. Sein Palast war aus rostig schwarzem Bruchbasalt erbaut. Dank seiner glatten Seiten haben Maurer keine Mühe mit diesem Gestein, aber erfreulich für das Auge ist es nicht. Außer für gewaltige Bauten eignete es sich für kaum etwas.
Der Palast ragte wie ein Berg aus der Stadtmitte. Er hatte Türme. Paläste haben immer Türme, doch den groben schwarzen Spitztürmen, die über dem Hauptgebäude nach dem Himmel krallten, mangelte es an Anmut und den meisten offensichtlich auch an Zweck. Viele waren vor Jahrhunderten begonnen, doch nie zu Ende gebaut worden. Sie strebten halbfertig in die Höhe, umgeben von den zerfallenden Überresten primitiver Gerüste. Von dem Palast ging weniger eine Aura des Bösen aus, eher eine des Wahnsinns, einer verzweifelten, aber sinnlosen Anstrengung.
Jenseits des Palasts konnte Sperber die gewaltige Kuppel des Azashtempels sehen, eine vollkommene, rostig schwarze Halbkugel aus riesigen, streng symmetrischen, sechseckigen Basaltblöcken, die ihm das Aussehen eines ungeheuren Insektenbaus verliehen oder einer gewaltigen, verkrusteten Wunde. Die Umgebung von Palast und anschließendem Tempel war eine Art gepflasterter toter Zone, in der es weder Häuser, Bäume noch sonst irgend etwas gab. Sie erstreckte sich, von der Mauer ausgehend, vollkommen eben etwa zweihundert Meter weit. In dieser dunklen Nacht war sie von Tausenden Fackeln erhellt, die aufs Geratewohl in die Ritzen zwischen die Steinplatten gesteckt waren. Das Ganze sah wie ein kniehohes, sturmbewegtes Flammenfeld aus.
Die breite Prunkstraße, der die Ritter folgten, schien direkt über den feurigen Platz zum Hauptportal von Othas Palast
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