Elenium-Triologie
langsamer zu sein, als Sperber in Erinnerung hatte. Und seine eigenen Hiebe hatten wohl auch nicht mehr den frischen Schwung der Jugend. Sie waren beide älter, und ein längerer Zweikampf mit einem vollkommen ebenbürtigen Gegner läßt keinen Zweifel daran.
Urplötzlich griff Sperber ungestüm an; Gedanken und Handeln waren eins. Er hieb eine Serie von Schlägen von oben herab auf Martels Kopf, so daß der Renegat gezwungen war, sich mit Schwert und Schild zu schützen. Diesen Angriff auf den Kopf beendete Sperber mit dem traditionellen Stoß in den Körper. Martel wußte natürlich, daß dieser Stoß kommen würde, doch er konnte seinen Schild einfach nicht rasch genug bewegen. Die Spitze von Sperbers Klinge durchbohrte die Rüstung an der rechten Brustseite und drang tief in den Körper. Martel erstarrte, dann hustete er einen Schwall von Blut durch die Visierschlitze. Schwach versuchte er, Schild und Schwert oben zu halten, aber seine Hände zitterten heftig. Seine Beine zuckten. Das Schwert fiel ihm aus der Hand, und der Schild sank hinab. Wieder hustete er, es war ein gurgelnder Laut. Blut quoll aus seinem Visier, und er sackte mit dem Gesicht nach unten zusammen. »Mach ein Ende, Sperber«, krächzte er.
Sperber rollte ihn mit dem Fuß auf den Rücken. Er hob sein Schwert, doch dann senkte er es wieder und kniete sich neben den Sterbenden. »Das ist nicht nötig«, sagte er leise, während er Martels Visier öffnete.
»Wie ist dir das gelungen?« fragte Martel.
»Es liegt an deiner neuen Rüstung. Sie ist zu schwer. Dadurch bist du müde und immer langsamer geworden.«
»Ich hätte es wissen müssen…« Martel bemühte sich, flach zu atmen, damit ihm das Blut, das seine Lunge rasch füllte, nicht in die Kehle drang. »… daß mich meine Eitelkeit eines Tages umbringt!«
Sperber schwieg.
»Es war ein guter Kampf.«
»Ja.«
»Und wir haben endlich herausgefunden, wer von uns der Bessere ist. Vielleicht ist jetzt der Augenblick, die Wahrheit zu sagen. Ich habe immer gewußt, daß ich dir unterliegen würde.«
Sperber lauschte Martels Atem, der immer schwächer wurde. »Lakus ist tot, hast du das gewußt?« fragte er leise. »Und Olven.«
»Lakus und Olven? Nein, das habe ich nicht gewußt. War es irgendwie meine Schuld?«
»Nein. Es war etwas anderes.«
»Das ist wenigstens ein kleiner Trost. Könntest du Sephrenia für mich rufen, Sperber? Ich möchte ihr gern Lebewohl sagen.«
Sperber hob den Arm und winkte der Frau zu, die sie beide ausgebildet hatte.
Tränen glänzten in ihren Augen, als sie sich Sperber gegenüber neben Martel kniete. »Ja, Lieber?« sagte sie zu dem Sterbenden.
»Ihr habt immer gesagt, ich würde ein schlimmes Ende nehmen, kleine Mutter.« Martels Stimme war jetzt nur noch ein schwaches Flüstern. »Aber Ihr habt Euch getäuscht. Es ist gar nicht so schlimm. Es ist fast wie auf einem feierlichen Totenbett. Ich darf in der Gegenwart der beiden einzigen Menschen sterben, die ich je wirklich geliebt habe. Würdet Ihr mir Euren Segen geben, kleine Mutter?«
Sie legte sanft die Hände auf sein Gesicht und sprach leise in Styrisch. Dann beugte sie sich weinend über ihn und küßte seine bleiche Stirn.
Als sie ihr Gesicht wieder hob, war er tot.
30
Sperber erhob sich und half Sephrenia auf.
»Ist alles in Ordnung mit Euch, Lieber?« flüsterte sie.
»Es geht mir gut.« Sperber starrte Otha durchdringend an.
»Meinen Glückwunsch, Herr Ritter«, sagte Otha ironisch. Das Feuer spiegelte sich auf seinem schweißglänzenden Schädel. »Und ich danke Euch. Ich habe lange über das Problem Martel nachgedacht. Mir deucht, er begann seine Bedeutung zu überschätzen. Er ist ganz und gar entbehrlich für mich geworden, nun da Ihr mir Bhelliom gebracht habt. Ihr habt mich von Martels Gegenwart befreit.«
»Betrachtet es als Abschiedsgeschenk, Otha.«
»Ach? Geht Ihr fort von hier?«
»Nein, aber Ihr.«
Otha lachte. Es war ein abstoßender Laut.
»Er hat Angst, Sperber«, flüsterte Sephrenia. »Er ist nicht sicher, ob Ihr den magischen Schild durchbrechen könnt.«
»Kann ich es?«
»Das weiß ich nicht. Er ist jetzt verwundbar, weil Azashs ganze Aufmerksamkeit dem Ritus gilt.«
»Dann ist jetzt der günstigste Augenblick.« Sperber holte tief Atem und ging auf den fetten Kaiser von Zemoch zu.
Otha zuckte zusammen und gab seinen halbnackten Sklaven ein Zeichen. Die Männer hoben die Sänfte, in der Otha mehr lag als saß, und setzten sich damit die Treppe hinunter
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