Elfenglanz
unbändig bei seinem Anblick. Sie konnte sich gerade noch beherrschen, sonst wäre sie ihm in die Arme gesunken.
Doch warum war er bereits am Tor?
»Laurel, Tam!« Er winkte sie näher heran. »Kommt, kommt!«
Die Wachposten rückten hinter ihnen zusammen, als Laurel, Tamani, David und Chelsea auf das Tor zugingen. Jamison blieb auf seinem Platz in der Mitte der Pforte stehen – wollte er sie etwa abweisen?
»Ich habe eine fürchterliche Nachricht vom Herrenhaus erhalten«, sagte Jamison. »Stimmt es, dass Shar uns verlassen hat?«
Tamani nickte schweigend.
»Das tut mir sehr leid«, fuhr Jamison fort und legte Tamani eine Hand auf den Arm. »Was für ein schwerer Verlust.«
»Er gab sein Leben für Avalon«, erwiderte Tamani mit einem Hauch von Trauer in der Stimme.
»Etwas anderes habe ich nicht von ihm erwartet«, sagte Jamison und richtete sich auf, »aber das Herrenhaus hat mir nur eine Nachricht von Aaron weitergeleitet, der nichts weiter ausführte, als dass ich euch am Tor erwarten sollte. Diese Diskretion ist ein kluger Schachzug; schließlich wollen wir keine Panik auslösen. Doch deshalb müsst ihr mir jetzt alles genau erklären, damit das Opfer unseres guten Hauptmanns nicht vergeblich war.«
»Es war die Wildblume«, begann Tamani. »Sie ist eine Winterelfe, die von Klea aufgezogen wurde.« Jamison machte große Augen, als Tamani weiter berichtete. »Sie hatte den Auftrag, die genaue Lage des Tores aus Laurels Kopf zu ziehen – was sie letzte Woche auch geschafft hat.«
Laurel fühlte sich schuldig, als die Sorgenfalten in Jamisons Gesicht noch tiefer wurden.
»Sie kann nichts dafür«, sagte Tamani. »Wir haben zu spät entdeckt, zu welcher Kaste Yuki gehört, um es zu verhindern.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Jamison und lächelte Laurel traurig an. »Das ist ganz und gar nicht deine Schuld.«
»Wie wir bereits vermuteten, ist Klea die Herbstelfe, die Laurels Vater vergiftet hat.« Er zögerte. »Und sie ist Callista, die Verbannte.«
»Callista.« Jamisons Miene spiegelte Überraschung und Bedauern. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Namen zu meinen Lebzeiten noch einmal hören würde.«
»Ich fürchte, es kommt noch schlimmer.«
Jamison schüttelte ermattet den Kopf.
»Klea – Callista – ist es gelungen, Seren zu mischen, durch die Orks gegen Herbstmagie immun werden. Deshalb hatten wir solche Probleme, sie zu finden und zu jagen. Anscheinend hat sie eine wahre Armee von diesen Orks und …« Er holte tief Luft. »… und sie werden bald hier sein. In höchstens einer Stunde.«
Jamison schwieg und schien nicht einmal mehr zu atmen. Laurel wünschte, er würde endlich etwas sagen, egal was. Doch dann sah er Laurel auf einmal mit einem sonderbaren Leuchten in den Augen an.
»Wer sind eure Freunde?«, fragte er unvermittelt und trat näher an sie heran. »Würdest du mich bitte vorstellen?«
»David und Chelsea«, antwortete Laurel verwirrt. »Und das ist Jamison.«
Chelsea und David streckten die Hände aus – Chelsea atemlos – und Jamison hielt Davids Hand einige Sekunden lang fest. »David«, sagte er nachdenklich. »So hieß der große König in der Sage der Menschen, nicht wahr?«
»Äh … ja, Sir«, antwortete David.
»Interessant. Eine Winterelfe, immunisierte Orks und die möglicherweise begabteste Herbstelfe in der Geschichte Avalons haben sich gegen uns verschworen«, sagte Jamison kaum hörbar. »Seit über tausend Jahren war Avalon keiner derartigen Bedrohung mehr ausgesetzt. Und dann haben wir hier noch zwei Menschen, die ihre Treue bereits unter Beweis gestellt haben.« Er blickte über die Schulter nach Avalon. »Möglicherweise ist es Bestimmung.«
Neun
D ie Königin wird gleich zu uns stoßen«, sagte Jamison, als sie aus den Schatten der Äste traten, die das Tor überragten. »Berichtet rasch weiter.«
Während Tamani Jamison auf den neuesten Stand brachte, nahmen David und Chelsea ihre Umgebung in sich auf. Die weiblichen Wachposten in Rüstung, die das Tor bewachten, hielten ebenso Abstand wie Jamisons Am Fear-faire , doch sie alle standen um die Pforte stramm und machten einen prächtigen Eindruck. Chelsea starrte sie mit unverhohlenem Staunen an.
David reagierte etwas zurückhaltender. Von den Bäumen, die Wege aus weicher schwarzer Erde säumten, bis zu den Wachposten, die die goldenen Tore bewachten, betrachtete er alles mit derselben Miene wie bei der Lektüre eines Schulbuchs oder dem Blick durchs Mikroskop. Chelsea war
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