Elfenglanz
er David nicht hatte bitten wollen, sondern abgewartet hatte, ob er es von sich aus anbot. »Die Funkler sind keine Krieger und können sich nicht in die Mauern der Akademie zurückziehen; ihre Häuser bestehen dazu fast vollständig aus Glas.«
»Und wie steht es mit Waffen?«, fragte Laurel. »Sie haben doch bestimmt welche, oder?«
»Requisiten für die Bühne«, antwortete Tamani trocken. »Die extra so gefertigt sind, dass sich niemand wehtun kann.«
»Ist Rowen da?«, fragte Laurel.
Tamani nickte und blickte zu Boden. »Mit Dahlia und Jade«, fügte er hinzu. Laurel erinnerte sich schwach an die Namen von Tamanis Schwester und ihres Gefährten, obwohl sie ihnen nie persönlich begegnet war.
Kurz darauf erreichten sie die Außenbezirke des Sommerviertels, doch sie hörten bereits etwas, bevor sie es sehen konnten: Explosionen, klirrend zerbrechendes Glas und lautes Geschrei. Laurel machte sich auf das Schlimmste gefasst, als sie die Kuppe des Hügels erklommen.
Oben verharrte sie vor Entsetzen und sogar Tamani legte eine Pause ein. Sie standen vor einer mächtigen Festung aus Stein, in deren Wassergraben glühende Lava floss. Als David endlich merkte, dass sie nicht mehr bei ihm waren, war er schon fast zehn Meter voraus.
»Kommt ihr, oder was?«, fragte er erschöpft.
»So sieht es im Sommerviertel eigentlich nicht aus«, erwiderte Laurel.
»Nicht annähernd!« Tamani kam aus dem Staunen nicht hinaus.
»Das ist eine Illusion!«, rief Laurel. »Als Abschreckung gegen die Orks!«
Während sie noch eine der dicken Mauern bestaunten, flackerte sie und löste sich auf. Einen Augenblick lang wurde eine hellrote seidene Abdeckung sichtbar, mit denen sonst nachts Glashäuser geschützt wurden. Dann flackerte die Mauer erneut auf, sah aber diesmal etwas anders aus.
Hatte da jemand einfach nur kurz nicht aufgepasst oder … war einer gestorben?
»Na gut«, sagte Tamani, »Luftspiegelungen haben keine Substanz. Also müssen wir durch alles hindurchgehen, das nicht zum Sommer gehört.«
»Sehr hilfreich, wirklich«, murrte David.
»Okay, dann vielleicht so«, sagte Tamani, »wenn es aus Stein ist, ist es wahrscheinlich unecht. Im Sommerviertel ist fast alles aus Zuckerglas.«
»Aber wir stoßen bestimmt trotzdem noch auf gewisse Dinge«, warnte Laurel. »Einige Bauwerke sind schon noch echt. Passt also auf.«
Als sie an den Graben traten, zögerte David. »Ist das jetzt Wasser oder nicht?«
Tamani schüttelte den Kopf.
»Ich finde, es sieht ganz schön echt aus«, sagte David, ging näher heran und lugte über den Rand.
Laurel nahm allen Mut zusammen und tippte mit dem Schuh in das, was wie Luft aussah, doch sie spürte die weiche Erde des Hauptweges unter ihren Füßen. Er war genau dort, wo er ihrer Erinnerung nach sein sollte. Nach einigen weiteren Schritten sah es aus, als liefe sie auf dem dampfenden geschmolzenen Gestein. »Es geht«, sagte sie und winkte David näher heran. »Man kann gut …« Dann verschlug es ihr die Sprache, weil sie von etwas getroffen und durch die illusionäre Festungsmauer geschleudert wurde. Laurel bekam nicht genug Luft, um zu schreien, und als sie auf etwas kühles Glattes fiel, zerbrach es unter ihrem Gewicht.
»Laurel!« Wer hatte ihren Namen gerufen? Als sie sich aufrappeln wollte, stach das Zuckerglas in ihre Hand, und kaum hatte sie sich aufgerichtet, fiel sie schon wieder über eine Art Hocker, der unter dem illusionären Kopfsteinpflaster verborgen war.
»Nichts passiert!«, rief sie blindlings in Tamanis und Davids Richtung. Hoffentlich konnten sie sie trotz des Schlachtgetümmels verstehen. Auf einmal wurde ihr schmerzlich bewusst, wie verletzlich sie war. Sie hatte keine Waffen und selbst wenn sie ihre Ausrüstung dabei hätte, würden ihr die Zaubertränke gegen die Orks wenig nützen. Vorsichtig stolperte sie zu einem bröckelnden Mauerstück, das sie sehen, aber nicht berühren konnte, und kauerte sich dahinter.
Als sie über die falsche Mauer spähte, merkte Laurel, dass die »Sommerfestung« innen noch furchteinflößender war als außen. Es wimmelte von sagenhaften Kreaturen, die nicht echt sein konnten. Darunter waren Feuer speiende Drachen, gepanzerte Einhörner und sogar ein mächtiger Zyklop. Außerdem gab es Orks und Elfen, von denen einige wie haargenaue Abbilder anderer aussahen, die Laurel in nächster Nähe entdeckte, und überall lagen Felsbrocken, die ihres Wissens vorher nicht dagewesen waren. Sie konnte die echten Elfen nicht von
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