Elfenglanz
sah sich um. Das Gewächshaus war unglaublich weitläufig, mindestens fünf Mal so groß wie das Haus von Laurels Eltern in Kalifornien. Durch die gläsernen Wände sah er weitere Gewächshäuser in einer langen Reihe, genau wie der junge Mixer gesagt hatte. Tamani erinnerte sich vage an die Gewächshäuser seiner Kindheit, als er mit seiner Mutter und Laurel die Tage in der Akademie zugebracht hatte. Doch er hatte angenommen, dass sie ihm nur so gewaltig erschienen waren, weil er selbst noch ein kleiner Setzling gewesen war. Jetzt war es genau der richtige Ort, um die Überlebenden zu beherbergen.
Als keine Elfen mehr aus dem Rauch kamen, kniete Yeardley sich mit einem älteren Elf vor das Loch, um die zu rufen, die möglicherweise noch im Gebäude waren. Wo war Laurel?
Tamani entdeckte David, der mit mehreren Elfen daran arbeitete, das steinerne Brett aufzurichten, um das Loch damit wieder zu schließen. Chelsea kniete neben einer Elfe, die am Boden lag und hustete – wahrscheinlich hatte sie eine Rauchvergiftung.
Doch Laurel war nirgends zu sehen. Tamani ließ den Blick immer wieder über die Elfen schweifen. Er konnte sie nicht finden.
Er bekam schreckliche Angst, als er begriff, dass sie noch im Speisesaal sein musste. Seine Erschöpfung spielte keine Rolle mehr. Er lief in Windeseile zu dem Ausgang, den David in den Stein gehauen hatte.
»Das war’s«, sagte ein älterer Elf, als Tamani sich mit den Ellbogen Platz verschaffte. Er hielt ihm kraftvoll die Hand auf die Brust, um ihn aufzuhalten.
»Ich muss noch mal rein«, erwiderte Tamani. »Ich muss sehen, ob …« Da niemand ihm zuhörte, kämpfte er sich weiter voran, bis er über den Kopf einer kleineren Elfe hinwegsehen konnte.
Da war sie ja! Sie war nur drei Meter vom Ausgang entfernt und mühte sich mit der Rettung eines letzten Elfs ab. Sie wandte ihm den Rücken zu, während sie ihn zum Ausgang zerrte.
»Lass ihn los!«, schrie Yeardley, doch der Blondschopf schüttelte erbost den Kopf.
Tamani fluchte über Laurels Sturheit und wollte sich zu ihr durchkämpfen. »Ich hole sie raus«, sagte er. Doch wieder schien ihn niemand zu hören und er wurde immer heftiger zurückgedrängt, weil erneut Panik ausbrach.
Warum lässt sie ihn denn nicht los?
»Ich muss … ich muss zu …« Tamani gab nicht auf, auch wenn er nur noch zusammenhangloses Zeug redete. Er dachte bloß an eins. Ich muss sie da rausholen.
Tamani hielt den Atem an, als Laurel taumelte und der schwere Körper des Elfs, den sie gezogen hatte, auf ihre Beine fiel. Sie verlor das Gleichgewicht und versuchte, sich zu befreien, doch Tamani wusste, dass diese wenigen Sekunden ihr Schicksal besiegelt hatten.
»Nein!«, schrie er und und wollte losstürmen, kam in dem überfüllten Gewächshaus jedoch nicht voran.
Sie hatte ihn gehört, das sah er. Sie versuchte, sich aufzurappeln, kam auf die Knie und drehte ihr Gesicht in seine Richtung. Doch dann zuckte sie, als die giftigen Ranken von ihr Besitz ergriffen. Ihre pinkfarbene Bluse leuchtete in der Düsternis, der rote Qualm hüllte sie ein.
Tamanis Welt zerbrach in scharfe Scherben, die ihn von innen zerfleischten.
»Mehr geht nicht«, sagte Yeardley traurig und bedeutete David und den Elfen, die Steinplatte wieder einzusetzen. »Wir können niemanden mehr retten. Schließt die Mauer.«
Tamani hatte das Gefühl, seine Füße nicht mehr bewegen zu können, als hätten sie an Ort und Stelle Wurzeln geschlagen. »Nein!«, brüllte er noch mal. »Gute Göttin, nein!«
David lehnte sein ganzes Gewicht gegen den Stein.
Er weiß es noch nicht. Nie im Leben würde er Laurel dort so liegen lassen. Tamani wollte David warnen, doch er hatte einen solchen Kloß im Hals, dass er die verzweifelten Worte nicht herausbrachte und somit die letzten Hoffnungsstrahlen vernichtete.
Er konnte es nicht sagen.
Er konnte gar nichts sagen.
Er konnte nicht atmen.
Er konnte nichts sehen.
Um ihn wurde es dunkel. Er musste sie rausholen – er konnte nicht ohne sie leben, es war unmöglich. Er wusste nicht, wie er in einer Welt ein- und ausatmen sollte, in der sie nicht mehr war.
Als ein starker Mann ihn an die Wand knallte, brachte ihn der Schmerz geringfügig wieder zur Vernunft. Er blinzelte und konnte wieder etwas sehen: Das Gesicht des Elfs direkt vor seiner Nase. Er kannte ihn nicht – es war einfach nur ein Mixer –, doch der gequälte Blick spiegelte seinen eigenen.
»Lass los«, sagte er. Da wusste Tamani, dass auch dieser Elf ein geliebtes
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