Elfenglanz
die Pistolen zu denken. Andere versuchten, wieder auf ihn zu schießen, aber auch ihre Waffen wurden zerteilt. Bald lagen Läufe, Patronenlager, Kugeln und abgesprungene Stahlsplitter auf dem Boden verstreut.
Tamani nutzte die Ablenkung, lief vom Baum zu Klea und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Dann setzte er ihr wieder den Speer an den Hals, doch Klea trat nach hinten und er schrie vor Schmerz, als sie sein Knie traf. Laurel ballte enttäuscht die Fäuste, weil sie es kaum ertragen konnte, dass sie nur im Weg wäre, wenn sie versuchen würde zu helfen.
»Aufhören!«, schrie Yuki plötzlich, streckte einen Arm nach David aus und spreizte die Finger. Als sie eine Faust machte, schossen mehrere Baumwurzeln in der Breite von Davids Brust in einer Explosion aus Dreck und Steinen aus der Erde. Als die Wurzeln auf ihn zusausten, machte Chelsea ein ängstliches gedämpftes Geräusch, doch in dem Moment, in dem sie ihn berührten, fielen sie erschlafft zu Boden.
Yuki schrie auf und stieß mit den Händen nach unten zum Gras an seinen Füßen. Die Wurzeln wurden wieder in die Erde gesaugt. Erde flog in kleinen Brocken wie Regentropfen über die Lichtung. Yuki blickte zu Klea, doch Tamani hatte sie jetzt auf die Knie gezwungen und hielt ihren Kopf nach unten und den Speer an ihren Rücken.
»Chelsea«, flüsterte Laurel, die Yuki nicht aus den Augen ließ. »Bleib hier. Um sie zu überrumpeln. Das ist alles, was wir haben.« Bis auf David war Chelsea die einzige, die eine Winterelfe wirklich überraschen konnte. Alle anderen konnte Yuki schon aus der Ferne spüren. Sie hatten diesen Vorteil bereits genutzt, um sie nach dem Ball gefangen zu nehmen – was erst in der Nacht zuvor geschehen war, obwohl Laurel das Gefühl hatte, seither sei eine Ewigkeit vergangen. Doch vielleicht konnten sie jetzt noch mal eine ähnliche Sache abziehen.
Chelsea nickte und Laurel stand auf.
»Yuki«, sagte Laurel und trat mit erhobenen Händen vor.
»Bleib, wo du bist, Laurel!«, rief Tamani nervös. Doch Laurel schüttelte den Kopf. Ohne Jamisons Hilfe hatte Tamani keine Chance gegen Yuki. Laurel hatte vor, sie in Grund und Boden zu reden.
»Bitte, Yuki, du willst das doch eigentlich alles gar nicht. Du warst in den letzten vier Monaten mit uns – mit uns allen – zusammen. Wir wollten keinem etwas zuleide tun und schon gar niemanden umbringen. Ja, in Avalon gibt es gewisse Probleme, aber muss man deshalb so dagegen vorgehen?«
»Bring sie um, Yuki«, rief Klea.
Yukis Kinn zitterte. »Diese Gesellschaft ist auf Lügen aufgebaut, Laurel. Du weißt ja gar nicht, was sie alles heimlich tun. Langfristig betrachtet, ist es für das Allgemeinwohl besser so.«
»Wer sagt das?«, fragte Laurel scharf. »Sie?« Sie zeigte auf Klea, die immer noch versuchte, sich aus Tamanis Griff zu befreien. »Ich habe doch erlebt, wie sie dich behandelt. Sie ist nicht ehrenhaft und stark, nein, sie ist eine ängstliche Tyrannin. Sie hat fast alle Elfen in der Akademie getötet. Sie sind tot, Yuki.«
Doch Yuki musterte sie misstrauisch. »Das war doch nur ein kleines Feuer, Laurel.«
»Und was ist mit dem roten Gas? Fast tausend Elfen sind ihretwegen gestorben – ohne die, die von den Orks getötet wurden.«
»Sie sind nicht tot, sie schlafen nur.«
Laurel blieb der Mund offen stehen. Dann drehte sie sich zu Klea um. »Du hast es ihr nicht gesagt?«
»Ich weiß gar nicht, wovon du redest«, entgegnete Klea ruhig.
»Von dem roten Rauch vielleicht? Ich weiß, wie er wirkt«, sagte Laurel. Sie waren tot. Sie wusste es; Klea wusste es auch.
Klea hatte Yuki angelogen.
»Yuki, hör mich an. Wir sind keine Lügner, sondern Klea. Nach dem Feuer hat sie rotes Gas geschickt, das jeden getötet hat, der mit ihm in Berührung kam. Die schlafen nicht, sie sind tot. Sie ist nicht die, für die du sie hältst. Sie ist eine Mörderin.«
Yuki blinzelte, aber Laurel konnte in ihren Augen lesen, dass die Entscheidung gefallen war. »Klea hat mir gesagt, dass du das behaupten würdest«, erwiderte Yuki mit fester Stimme, ehe sie Tamani ansah. Dann sagte sie so leise, dass Laurel es kaum verstand: »Es tut mir leid.«
Und wieder kamen die Wurzeln aus der Erde und bildeten einen dunklen moosbedeckten Vogelkäfig um Laurel. Dann wurde die Erde um David herum von einer Million winziger Pflanzenfasern zurückgezogen und bildete einen Graben in Form eines Donut um ihn herum. Ohne Anlauf konnte man nicht darüber springen und er war zu tief, als dass man hätte
Weitere Kostenlose Bücher