Elfenkrieg
wenn du diese im Verborgenen hältst. Zum Schutz oder aus anderen Gründen?«
»Zum einen bestimmt, um mich zu schützen«, antwortete Vinae, stets darauf bedacht, wie viel sie preisgab, ohne jedoch in eine Lüge zu verfallen. »Magie wird hier sehr gerne missbraucht. Das Sonnental ist kein Ort für Elfen großer Macht – sofern sie nicht den Fürsten dienen wollen.«
»Und du dienst nicht den Fürsten?«
»Wenn ich muss. Ich versuche, es zu vermeiden.«
»Und der Thesalis? Wie ist dein Verhältnis zu dieser Hexe?«
Vinaes Miene blieb völlig ausdruckslos, auch wenn ihr einen Moment lang der Atem stockte. »Ich versuche, auch ihre Gegenwart zu meiden«, antwortete sie schließlich ehrlich. »Meara Thesalis ist keine Elfe, der ich nachzueifern strebe.«
»Das hast du schön gesagt – und ohne zu lügen. Ich bin beeindruckt.«
»Die Wahrheit muss niemanden beeindrucken.«
»Oh, in dieser Welt ist es leider doch so. Wer kann wem noch trauen? Du kennst dieses Spiel. Du wohnst jetzt selbst in der Burg ... Wo hast du zuvor gelebt?«
»Woanders.«
»Ah, ich sehe, du erinnerst dich an die Spielregeln.« Gregoran lehnte sich etwas weiter vor und sah ihr direkt in die Augen. »Aber noch musst du lernen.«
»Da mögt Ihr recht haben.« Vinae erwiderte seinen Blick. »Ich strebe nach einer Ausbildung im Tempel von Averdun. Dort ist meine Macht von Nutzen und keine Gefahr. Dort muss ich den Fürsten nicht dienen und kann meine Fähigkeiten für das Gute einsetzen.«
»Oh, was für eine reine Seele!« Gregoran schüttelte den Kopf. »Doch ist diese Entscheidung auch weise? Dienerinnen der Orakel leben zurzeit gefährlich.«
»Wie ...?«
»Ich muss nicht dort oben sein, um die Macht zu spüren, die auf euch alle zukommt«, antwortete er gleichgültig. »Eine Macht, gegen die noch nicht einmal du etwas ausrichten kannst, schöne Seele.«
Vinae spürte, wie ihr Herz immer schneller schlug. »Was wisst Ihr davon?«, fragte sie heiser vor Aufregung. »Könnt Ihr mir sagen, wer die Orakel angreift? Sind es denn tatsächlich die Fürsten?«
Da er die Seelen der Burg spürte, konnte er vielleicht tatsächlich wissen, was hier vor sich ging und was die Fürsten planten. Vielleicht sogar, ob die anderen Drachen hier irgendwo versteckt waren.
Doch Gregorans plötzliches Lachen sprach dagegen. »Die Fürsten«, wiederholte er kopfschüttelnd. »Das hätten sie wohl gerne. Bestimmt wünschen sie sich, der Diebstahl des Drachenherzens wäre ihnen selbst eingefallen. Es würde mich nichtwundern, hätten sie es sogar geplant. Doch sie waren zu langsam. Die anderen kamen ihnen zuvor.«
»Die anderen? Wen meint Ihr? Wer könnte die Orakel so sehr hassen?«
Gregoran wurde schlagartig wieder ernst und fing ihren Blick ein. »Die Orakel?«, fragte er mit einer Mischung aus Belustigung und Ungeduld. »Niemand interessiert sich für die Orakel. Sie sind lediglich ein Mittel zum Zweck – die Stimmen des Schicksals. Nur sie wissen, was das Schicksal für euch plant, sie stehen in Verbindung mit einer Macht, die größer ist, als du dir vorstellen kannst. Einer Macht, die den Weg eines jeden Bewohner Elvions bestimmt. Nein, meine schöne Seele. Niemand führt hier Krieg gegen die Orakel oder gegen Priesterinnen. Es ist ein Krieg gegen das Schicksal selbst.«
Es war, als bliebe die Zeit stehen. Vinae reagierte nicht und starrte ihn einfach nur an.
»Wer?«, brachte sie schließlich nach einer halben Ewigkeit heraus.
Gregoran lehnte seinen Kopf zurück an die Wand. »Ich würde sagen, jemand, der eine Mordswut auf das Schicksal hat«, antwortete er und fing ihren Blick wieder ein. »Du musst nicht unter den Fürsten suchen, schöne Seele. Der Nebel kommt von außerhalb.« Sein Blick schien direkt in sie zu dringen. »Wut kann eine sehr starke Macht sein.«
Vinae starrte ihn an. Sie musste diese Informationen erst richtig einzuordnen versuchen. Obendrein hatte sein Anblick etwas Fesselndes, so dass es ihr leichtfiel, ihn immerzu anzusehen, auch wenn sie dabei riskierte, die Zeit völlig zu vergessen. Es war, als verließe sie ihren Körper, der immer noch genauso reglos vor der Zelle saß, während sie selbst in seinen Augen unterging. Der Übergang von einem flüchtigen Blick in diesen schwebenden Zustand war fließend vonstattengegangen,so dass sie nicht bemerkt hatte, wie sie sich langsam unter seinem Blick aufzulösen schien.
Genauso wenig nahm sie die Bewegung ihres Armes bewusst wahr, als sie sich vorbeugte und die Hand nach
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