Elfenkrieger (Mithgar 02)
Schlucht wie eine klagende Stimme am Rande der Wahrnehmung. Hier war die Welt in Rot gehüllt, als sei der Fels in Blut getaucht worden. Sogar die Schatten schienen eine rötliche Färbung anzunehmen.
»Adon«, hauchte Delon, »aber das ist wirklich meine Vision der Hèl.«
Zwei Wege taten sich vor ihnen auf, einer führte nach rechts, der andere nach links.
»Wohin?«, fragte Aiko Arin, auf der die Blicke all ihrer Gefährten ruhten.
Die Dylvana starrte auf den Boden der Schlucht. »Der rechte Weg schimmert ganz leicht.«
Aiko berührte ihre Brust. »Auf diesem Weg lauert aber auch Gefahr, Dara.«
Arin zuckte die Achseln. »Trotzdem…«
»Vielleicht sollten wir umkehren«, warf Alos ein.
Arin sah den alten Mann an. »Nein, Alos. Wir müssen hier drinnen den Verfluchten Bewahrer Des Glaubens Im Labyrinth finden.«
»Aber wir wissen nicht einmal, ob dies das richtige Labyrinth ist«, entgegnete der alte Mann störrisch.
Egil neigte den Kopf. »Komm, Steuermann, bislang haben wir den richtigen Kurs doch gut gehalten.«
Alos sah Aiko an und begegnete nur einem ausdruckslosen Blick. Er schlug die Augen nieder und nickte.
Sie wandten sich nach rechts, und jetzt konnten Aiko und
Egil neben Arin reiten, Aiko links von ihr, Egil rechts. Ihnen folgten die drei Packkamele am Zügel, und dann kamen Alos, Delon und Ferai, jeder der drei ebenfalls mit einem Lastkamel im Schlepptau.
»Wo ist Norden?«, fragte Ferai. »Der Pfad hat sich so oft gedreht, dass ich vollkommen die Orientierung verloren habe. Und hier unten kann ich nichts mehr erkennen.«
Alos knurrte und zeigte nach links vorn, während Delon nach rechts hinten deutete. Delon schüttelte den Kopf und brach in Gelächter aus, doch Alos fauchte ihn an: »Hört mal, ich bin Steuermann, also sollte ich eigentlich wissen, wo Norden ist.«
Doch Delon zeigte hoch oben auf die roten Wände der Schlucht. »Seht Ihr den Winkel der Sonne? Nun, nicht der Sonne selbst, sondern vielmehr der Schatten. Es ist noch früh am Morgen, also zeigen sie von Osten nach Westen. Und angesichts ihrer Neigung liegt Norden rechts von uns. Wir reiten im Moment in südwestlicher Richtung.«
Während sein Kamel langsam vorwärts stapfte, schaute Alos lange auf den Schluchtrand, der hoch über ihm aufragte, und schüttelte dann resigniert den Kopf.
»Nicht verzagen, Alos«, sagte Delon. »Ich bin in den Bergen aufgewachsen, Ihr dagegen auf dem Meer. Und wenn wir wieder auf dem Wasser sind, werdet Ihr über die Himmelsrichtung Bescheid wissen und ich nicht.«
Sie hielten diese Richtung kaum zweihundert Schritte, bis die Schlucht eine neuerliche Biegung beschrieb. Nach mehreren Windungen stießen sie eine Meile später auf eine Kreuzung mit drei Wegmöglichkeiten. Wieder wählte Arin die rechte Abzweigung, und so folgten sie den verschlungenen Pfaden des Labyrinths auf manchmal breitem und manchmal schmalem Weg, wo sie hintereinander reiten mussten – und an diesen Stellen übernahm Aiko die Führung, und Egil ritt hinter ihr. Immer wieder stießen sie auf Kreuzungen und Abzweigungen, manche nur Spalten, manche glatte Wege, andere rau und wieder andere mit Geröll übersät. An diesen Abzweigungen betrachtete Arin alle Wegmöglichkeiten auf ihre ganz besondere Art, bis sie den schimmernden Weg gefunden hatte, und dann setzten sie den Ritt fort.
Der Vormittag kam, dann der Mittag, und die Sonne stand direkt über ihnen, drängte die rötlichen Schatten zurück und ersetzte sie durch einen grellroten Schein. Dennoch hielten sie für ihr Mittagsmahl nicht an, sondern aßen im Sattel, denn sie wollten in diesen Schluchten kein Nachtlager aufschlagen, sondern hofften, vorher den Tempel zu erreichen – wo immer er sich auch befinden mochte. Manchmal ritten sie und manchmal gingen sie, um den Kamelen eine Erholung zu gönnen, aber sie blieben ständig in Bewegung.
»Ich glaube nicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind«, japste Alos auf einer dieser Etappen, die sie zu Fuß zurücklegten. »Wir kehren besser um und verlassen diese verwünschten Schluchten mit ihren bedrückenden Felswänden.«
»Warum glaubt Ihr das, Alos?«, fragte Delon.
Alos richtete sein sehendes Auge auf den Barden. »Wir hätten den Tempel mittlerweile längst erreicht, wenn dies der richtige Weg wäre. Ich glaube, wir sind irgendwo falsch abgebogen. Entweder das, oder der Tempel ist überhaupt nicht hier.«
Ferai schüttelte den Kopf. »Seht Euch um, Alos. Der Fels ist rot wie auf der Karte der alten Nom. Und
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