Elfenkuss
nicht schneller fahren?«, flehte sie.
David verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Schneller geht es wirklich nicht, Laurel. Stell dir vor, die Bullen winken uns raus und sehen Tamani! Das Risiko ist einfach zu hoch!« Ihre Blicke trafen sich im Rückspiegel.
»Ich fahre, so schnell es eben geht – versprochen.«
Laurel kamen die Tränen, aber sie gab sich damit zufrieden und verdrängte das Gefühl, dass Tamani sich weniger stark an sie klammerte.
Die Straße war fast leer, aber Laurel wagte die ganze Strecke durch Crescent City und Klamath über kaum zu atmen, wenn sie andere Autos überholten. Einmal schaute ein Mann zu ihr rüber, und sofort fragte sie sich, ob er unter der Sonnenbrille unterschiedliche Augen verbarg. Als sie sich schon beinahe sicher war, dass er ein Ork war, der sie endgültig beseitigen sollte, wandte er den Blick ab und fuhr links ab.
Endlich bogen sie auf die Zufahrtsstraße zu ihrem
Grundstück ab. Die Schotterpiste war zwar voller Schlaglöcher, aber von Tamani kam kein Protest mehr. Als David schließlich anhielt, konnte Laurel nur noch flüstern: »Bitte beeil dich, David.«
David rannte um das Auto herum und half ihr, Tamani zu bergen. Sie zogen ihn hinters Haus und den mittlerweile vertrauten Pfad entlang. Kaum hatten sie den Waldrand passiert, rief Laurel schluchzend: »Shar! Shar! Hilfe! Hilfe!«
Beinahe augenblicklich erschien Shar hinter einem Baum. Falls er geschockt war, konnte man es ihm zumindest nicht ansehen. »Ich übernehme ihn«, sagte er ruhig. Er nahm Laurel und David die reglose Gestalt ab und legte Tamani sanft über die Schulter. »Du darfst nicht weitergehen«, sagte Shar zu David. »Heute nicht.«
David runzelte die Stirn; er sah Laurel an. Sie warf sich in seine Arme, flüsterte: »Es tut mir leid« und wandte sich zum Gehen.
David langte nach ihrer Hand. »Du kommst doch zurück?«, fragte er.
Laurel nickte. »Das verspreche ich dir.« Dann zog sie ihre Hand weg und eilte hinter Tamanis schlaffer Gestalt her.
Als David nicht mehr in Sichtweite war, traten weitere Elfen hervor und verteilten Tamanis Gewicht auf ihre Schultern – eine Parade unglaublich schöner Männer, einige darunter in Tarnrüstung. Je mehr Elfen erschienen, umso besser ging es Laurel. Tamani war
nicht mehr allein, die anderen würden einen Weg finden, ihm zu helfen. An diesem Glauben hielt sie fest. Die Elfen trugen ihn über einen gewundenen Pfad, der ihr seltsam unbekannt vorkam, bis sie an einem uralten Baum stehen blieben. Seine Blätter hatten sich trotz der eiskalten Spätherbstluft nicht verfärbt.
Einige Elfen legten abwechselnd eine Hand in eine Mulde in der Rinde, bis Shar endlich Tamanis Hand an den Stamm legte. Sekundenlang bewegte sich niemand, nichts geschah. Doch dann schwankte der Baum auf einmal, und Laurel holte überrascht Luft, als sich knapp über dem Boden ein Riss zeigte. Der Spalt verbreiterte sich und wandelte den Stamm in eine Art Torbogen. Die Luft flimmerte und funkelte, bald strahlte alles so, dass Laurel kaum noch hinsehen konnte. Dann zuckte ein Blitz so grell, dass sie blinzeln musste. In dem kurzen Augenblick, in dem sie die Augen geschlossen und wieder geöffnet hatte, war die schimmernde Luft zu einem goldenen Tor geworden, geschmückt mit strahlend weißen Blüten und unendlich vielen glitzernden Edelsteinen.
»Ist das etwa das Tor von Avalon?«, fragte Laurel atemlos.
Shar beachtete sie kaum. »Haltet sie zurück; Jamison kommt rüber.«
Erst als verschränkte Speere Laurel den Weg versperrten, fiel ihr auf, dass sie auf den Baum zugegangen war. Der Wunsch, die Speere beiseitezuschieben und zu dem funkelnden Tor zu laufen, war überwältigend,
aber sie zwang sich, an Ort und Stelle stehen zu bleiben. Das Tor bewegte sich und schwang in einem Bogen langsam nach außen, während die Elfen zurücktraten und Platz machten. Obwohl Laurel nach Kräften durch die Speere lugte, konnte sie nicht viel erkennen. Doch sie sah einen smaragdgrünen Baum unter einem Streifen Himmelblau, Sonnenstrahlen, die wie Diamanten glitzerten. Ein Duft nach frischer Erde umhüllte sie, gemischt mit einem berauschenden Geruch, den sie nicht zuordnen konnte. Auf der anderen Seite des funkelnden Tores wartete ein weißhaariger Mann in einer lang wallenden silbernen Robe. Als er auf Tamani zuging, starrte Laurel ihn sprachlos an. Er strich Tamani über das Gesicht und sah sich zu den Elfen um, die hinter ihm mit einer Krankenbahre standen.
»Legt ihn rasch
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