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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Feuerkörbe auf, und als Misht dünnen, blaugrauen Rauch aufsteigen sah, hob er die Fahne, die er die ganze Zeit festgehalten hatte. Er schwenkte das Seidentuch über seinem Kopf hin und her. Einen Augenblick lang dachte er bedrückt, dass er es war, der das Inferno entfesselte. Sein Name würde nie in irgendeinem Geschichtsbuch stehen, aber er hatte das Signal gegeben, an diesem Tag mit dem Morden zu beginnen.
    Überall entlang der Wagenreihe wurden Zündstöcke angesteckt. Manche Kobolde ließen sie wild über ihren Köpfen wirbeln, damit die Lunten hell aufglommen. Aus Hanf gedreht, waren die Lunten straff um schwer brennbare Eichenstäbe gewickelt. Man hatte die Schnüre in Kalisalpeter und giftigen Bleizucker getaucht, damit sie sehr langsam abbrannten. Ein unangenehmer, durchdringender Geruch ging von den schwelenden Lunten aus.
    Misht stieg von der Pritsche herab, warf die Fahne achtlos aus dem Wagen und griff nach dem Zündstock, den sein Kutscher vorbereitet hatte. Dann kniete er neben der ersten Seidenkugel nieder. Schweiß rann ihm von den Schläfen. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Die Seide war auf dünne Drahtgeflechte aufgezogen, sodass sie große Kugeln formte, die am unteren Ende in einen Zylinder übergingen. Ein Stück unter dem Zylinder hing eine dünnwandige Flasche aus blauem Talsiner Glas in dem Drahtgeflecht.
    Vorsichtig zog Misht den fein geschliffenen Glasverschluss aus der ersten Flasche. Dann schob er den Zündstock ganz langsam durch das weitmaschige Drahtgeflecht und den Flaschenhals, sodass die Lunte ins Innere der Flasche reichte. Mit einem Puff geriet die Oberfläche des Lampenöls in Brand. Eswar eine besondere Ölmischung, mit der Ollowain die Flaschen hatte füllen lassen. Leicht entzündlich war sie, und beim Verbrennen entstand ein öliger, schwarzer Rauch.
    Vorsichtig zog Misht die Lunte aus der Flasche. Der Rauch stieg in die Seidenkugel und färbte binnen Augenblicken den goldgelben Stoff schwarz. Die Seide knisterte leise, als sie sich erwärmte. Fast einen Schritt betrug der Durchmesser jeder Ballonkugel. Ungeduldig wartete Misht, bis die Glasflasche sanft schaukelnd von dem Seidenballon angehoben wurde. Der Kobold trug Lederhandschuhe, die er sich vom Kutscher geliehen hatte. Vorsichtig griff er nach dem Glas. Selbst durch das Leder hindurch spürte er die Wärme.
    Behutsam hob er den Ballon an, damit die zarte Flasche nicht im letzten Augenblick noch gegen eine der niedrigen Holzwände schlug, von denen die Pritsche der Kutsche eingefasst war.
    Dann spürte Misht, wie der Sanhalla nach der Seidenkugel griff. Der Südwind hob sie dem Himmel entgegen und ließ sie langsam zu den Reihen der Trolle schweben. Überall entlang der Linie der Kutschen stiegen rußgeschwärzte Seidenkugeln in den Himmel. Der Kobold wusste, dass es mehr als zweihundert waren.
    Er blies auf die Lunte und kniete neben dem nächsten Ballon nieder. Sie hatten den Befehl, die Seidenkugeln so schnell wie möglich hintereinander in die Luft zu bringen.
    Misht winkte dem Kutscher. »Du hast gesehen, was ich getan habe. Sobald er in der Luft schwebt, hebst du die nächste Kugel aus der Kutsche. Und stoße bloß nirgends mit dem Glas an.«
    Wie um seine Worte zu unterstreichen, erklang ein gellender Schrei. Misht blickte über die Pritschenwand und sah, wie etwa hundert Schritt entfernt eine Kutsche in Flammen aufging. Eine Flammengestalt sprang vom Wagen und wand sich schreiend im Gras. Der Wind trug eine Fahne aus dichtem schwarzem Rauch den Hang hinab. Ein Minotaur eilte dem brennenden Kobold zu Hilfe. Er versuchte die Flammen mit einer Decke zu ersticken.
    Schaudernd wandte Misht sich ab. »Pass bloß auf, was du tust«, ermahnte er den Kutscher.
    Die Hand des Kobolds zitterte, als er die Lunte in die nächste Flasche einführte. Brennender Schweiß rann ihm in die Augen. Er blinzelte. Ganz vorsichtig zog er die Lunte heraus. Auch wenn er die Seide berührte, mochte ein Unglück geschehen. Der Stoff war trocken wie Zunder.
    Er überließ es dem Kutscher, den Ballon in den Wind zu heben. Mit flatternden Nerven wandte er sich der nächsten Flasche zu. Weitere Schreie erklangen. Diesmal blickte er nicht mehr auf. Er wollte nicht sehen, was mit den Männern geschah, die unter seinem Kommando standen. Und er wünschte sich, Nossew wäre hier. Er vermisste seinen schweigsamen Gefährten. Ihn hatte immer eine Aura unerschütterlicher Ruhe umgeben. Nossew hätten gewiss nicht die Hände gezittert.
    Leise

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