Elfennacht 01. Die siebte Tochter
anführte.
»Sie ist echt unermüdlich, was?«, stellte Anita fest. Die Tänzer vollführten gerade eine spektakuläre Hebefigu r – die Männer fassten die Frauen um die Taille und wirbelten sie in die Luft. »Woher hat sie nur die Energie?«
»Fünfhundert Jahre Sehnsucht«, sagte Sancha ernst.
»Das ist eine lange Zeit, um auf ein bisschen Spaß zu warten«, murmelte Anita.
Sie blickte durch den Saal.
Oberon saß auf dem Thron und sprach mit ein paar Adligen. Der Elfenkönig. Es erfüllte sie mit seltsamem Stolz, als sie sah, wie die Lords und Ladys des Hofes sich vor ihm verneigte n – fast, als wäre er wirklich ihr Vater und sie Prinzessin Tania.
»Du Volltrottel!«, sagte sie zu sich selbst. »Das hier ist nicht echt. Vergiss das nicht!«
Hopie stand mit einem großen dunkelhaarigen, bärtigen Mann Arm in Arm beim Thron und unterhielt sich mit dem König.
»Wer ist das da bei Hopie?«, fragte Anita.
»Ihr Eheman n – Lord Brython von Cantus«, sagte Sancha. »Ein weiser und gelehrter Mann. Er hat eine hohe Position im Rat des Königs inne.«
Anita sah Sancha an. »Bist du verheiratet?«
Sancha lachte leise. »Nein«, sagte sie. »Ich werde vollkommen von meinen Studien in Anspruch genommen und brauche keine Ablenkung.«
Anita wandte sich an Cordelia. »Und was ist mit dir? Bist du mit jemandem zusammen?«
Cordelia schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. »Ich finde kein Vergnügen an der Gesellschaft von Männern«, sagte sie.
»Auch nicht an der Gesellschaft von Frauen, um genau zu sein«, fügte Sancha hinzu. »Cordelia lebt ausschließlich für ihre Tiere.«
Cordelia hob eine Augenbraue. »Das sind nicht meine Tiere«, korrigierte sie. »Sie gehören nur sich selbst.« Sie sah Anita an. »Du bist jederzeit herzlich willkommen, dir die Menagerie anzusehen, wenn du möchtest.«
»Eine Menagerie?«, sagte Anita. »Was ist das?«
Cordelia blickte sie überrascht an. »Der königliche Tierpark.«
»Klingt toll. Ich liebe Tiere.« Sie musste lächeln, als ihr der Vorfall in Mistress Mirrlees’ Atelier wieder einfiel. »Sogar Eichhörnchen, auch wenn ich sie manchmal fast zu Tode erschrecke.«
»Mach dir keine Sorgen, es hat keine Angst mehr vor dir«, sagte Cordelia. »Ich habe mit ihm gesproche n – es weiß jetzt, dass du eine Freundin bist.«
»A h … das ist gut«, sagte Anita. Insgeheim fragte sie sich, was Cordelia genau damit meinte: mit ihm gesprochen?
Sie sah zu Rathina hinüber, die von einer Schar aufmerksamer, gut aussehender junger Lords umringt war. Bis jetzt war Rathina die einzige ihrer Schwestern, die an diesem Abend noch kein Wort mit ihr gewechselt hatte, aber andererseits schien die wunderschöne Elfenprinzessin von ihren Verehrern vollkommen in Beschlag genommen zu sein.
»Habe ich denn noch irgendwelche anderen Schwäger, von denen ich wissen sollte?«, fragte Anita.
»Eden hat einen Mann«, antwortete Sancha. »Graf Valentyne, doch er hat den Hof vor langer Zeit verlassen, kurz nachdem das Dämmerlicht über uns kam und Eden sich im Turm einschloss. Wir wissen nicht, wohin er ging, vielleicht zurück zu seinen Verwandten nach Mynwy Clun, viele Wegstunden von hier entfernt im gebirgigen Westen.« Sie folgte Anitas Blick. »Wie du sehen kannst, mangelt es Rathina nicht an Bewerbern, aber bisher hat keiner von ihnen ihr Herz erobert. Und was Zara betrifft: Ich habe Mitleid mit dem Mann, der versucht ihr Herz zu erober n – es ist so leicht und flatterhaft wie ein Schmetterling!«
Anita bemerkte Gabriel am anderen Ende des Saals, der mit Edric sprach. Sie hatte Edric vorher noch gar nicht bemerkt und der Anblick des eigentlich vertrauten Gesichts versetzte ihr einen Stich.
Sie verdrängte ihre verletzten Gefühle. Warum schmerzte Edrics Verrat sie so sehr? Schließlich war dies nur ein Traum. Wieso ging es ihr bei Edrics Anblick so schlecht?
»Und dann gibt’s da noch Gabriel«, murmelte sie kaum hörbar. An Sancha gewandt sagte sie lauter: »Damals, bevor ich verschwunden bi n … hatte Gabriel da mein Herz erobert? Das muss er getan haben, wenn ich ihn heiraten wollte, aber ich kann mich überhaupt nicht erinnern.«
Sancha sah nachdenklich aus. »Du schienst zufrieden, ihn zu heiraten«, sagte sie schließlich. »Aber ich weiß nicht, ob du ihn wirklich geliebt hast.«
Anita starrte sie an. »Wirklich? Warum sagst du das?«
»Die Vermählung hätte zwei große Häuser des Elfenreichs verbunden«, erklärte Sancha. »Unser eigenes mit dem der Weir. Du wusstest,
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