Elfennacht 01. Die siebte Tochter
den Mund. »Keine Lügen, Mylord«, sagte er. »Ich habe der Prinzessin nur den wahren Grund offenbart, weswegen Ihr sie zu heiraten wünscht.«
Gabriel schien überrascht. »Ach wirklich?« Er sah Tania an. »Und was sind das für Gründe?«
»Ihr strebt nach Macht«, sagte Edric.
Gabriel sah Tania an. »Das ist doch Unsinn«, sagte er ruhig. »Siehst du nicht, dass er nicht bei Verstand ist?« Er seufzte bedauernd. »Ich habe es geahnt, aber ich hatte gehofft, es dir zu ersparen. Ich fürchte, seine Seele hat durch die Zeit in der Welt der Sterblichen Schaden erlitten. Edric, Edric. Wenn ein Mann nach der Sonne greift, verbrennt er sich lediglich die Finger. Man sollte nicht nach Dingen streben, die man niemals erreichen kann.«
Tania runzelte die Stirn. »Wovon sprichst du?«
»Verstehst du es denn nicht?«, sagte Gabriel. »Dieser Mann glaubt, dich zu lieben, und er möchte dich für sich haben. Er würde alles sagen, um dich gegen mich aufzubringen, um dich an mir zweifeln zu lassen.«
Tania starrte Edric verunsichert an.
»Wann habe ich dir jemals die Unwahrheit erzählt, Tania?«, fuhr Gabriel sanft fort. »Habe ich versucht, dir den Hof zu mache n – oder wieder an unsere alte Liebe anzuknüpfen?«
Tania schüttelte den Kopf. »Nei n …«
»Und so sollte es auch nicht sein, Tania. Ich habe dich heimgebracht um deines Vaters, meines Königs, und seines Reiches willen.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Komm fort von hier«, drängte er. »Lass uns diesen Unsinn rasch beenden.«
Da rappelte sich Edric auf. Er schwankte, Blut lief aus einer Wunde an der Stirn über sein Gesicht. »Nein!«, rief er. »Geh nicht mit ih m – glaub ihm nicht.« Er stolperte auf Gabriel zu.
Der Lord hob die Hand und Edric blieb abrupt stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt. Gabriel machte eine weitere Handbewegung und Edric griff sich mit beiden Händen an den Hal s – aus seinem Mund kam ein ersticktes Röcheln. Entsetzt beobachtete Tania, wie Edric langsam vom Boden hoch schwebte und strampelnd in der Luft hing.
Tania warf sich auf Gabriel und zerrte an seinem Arm.
Mit einem erstickten Schrei fiel Edric zu Boden.
»Lass ihn in Ruhe!«, schrie Tania.
Gabriels Augen blitzten. »Was soll das, Tania?«, sagte er. »Was bedeutet dir dieser Mann? Er ist ein Nichts! Ein Sklave, beweglicher Besit z – ein wertloses Stück Treibgut, das ich entzweireißen und in alle vier Winde verstreuen kann, wenn mir danach ist.«
Tania schüttelte den Kopf.
»Nein!«, sagte sie. »Das kannst du nicht machen. Auch wenn das, was du über ihn gesagt hast, wahr ist.«
»Dir wäre es also lieber, wenn er weiterhin im ganzen Reich ungehindert seine Boshaftigkeiten verbreiten kann?«, sagte Gabriel. »Ich bin der Stellvertreter des Königs und lasse nicht zu, dass diese Kreatur mir schadet. Eher liegt er tot zu meinen Füßen.«
»Hier müssen doch irgendwelche Gesetze gelten«, sagte Tania verzweifelt. »Wenn er etwas Falsches getan hat, dann muss er vor Gericht gestellt werden. Du kannst ihn doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts töten.«
Gabriel sah sie lange wortlos an. »Dein Mitgefühl spricht für dich, Tania«, sagte er schließlich. »Dir zuliebe werde ich Gnade vor Recht ergehen lassen. Denk daran: Das, was ich jetzt tue, geschieht auf deinen ausdrücklichen Wunsch hin.« Er zog eine kleine, leuchtende Bernsteinkugel unter dem Umhang hervor, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, sodass Edric sie gut sehen konnte. Die Oberfläche der Kugel waberte wie flüssiges Öl und Rauchschwaden stiegen auf.
»Nein!«, stöhnte Edric.
Gabriel warf Tania einen Blick zu. »Ich tue es für dich«, erinnerte er sie. Er rief so laut, dass es von den Dachbalken wiederhallte. »Edric Chanticleer, bis in alle Ewigkeit verbanne ich dich ins Bernsteingefängnis!« Damit schleuderte er Edric die Kugel vor die Füße.
Die Kugel zerbarst in einem blendend weißen Funkenregen und Tania wich mit erhobenen Armen zurück, um die Augen vor dem grellen Licht zu schützen. Sie hörte einen verzweifelten Schrei, der plötzlich erstarb.
Als sie die Augen öffnete, sah sie nur noch schwelenden Rauch und Flammen.
»Was hast du getan?«, flüsterte Tania.
»Ich habe Master Chanticleer verurteilt«, sagte Gabriel. »Auf deinen Wunsch hin ist er nicht tot. Wahrlich, habe keine Furcht, Tani a – denn er wird nie sterben.«
Langsam verzog sich der Qualm und Tania konnte wieder etwas erkennen: Mitten im Raum schwebte eine große
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