Elfenschwestern
dem wir offenbaren, wer er wirklich ist. Du weißt, dass ich das kann, Fairchild. Ich habe die Mittel und ich habe vor allem die Macht.“
Lily war wie erschlagen. Was bitte sollte sie darauf erwidern? Sie hatte keinen Trumpf im Ärmel, sie hatte keine Geheimwaffe zu bieten, sie hatte einfach nichts, was sie dem Duke entgegensetzen konnte. Und er wusste es. Er bedachte sie mit einem fast mitleidigen Blick, der sie so wütend machte, dass sie die Zähne zusammenbeißen und die Hände zu Fäuste ballen musste, um ihm nicht an die Kehle zu gehen. Der Tiger in ihr wollte zuschlagen, aber Lily wusste, dass dies alles nur noch schlimmer machen würde. Der Duke hatte die Fäden in der Hand. Sie durfte ihn jetzt nicht verärgern, sonst nahm er ihnen Grayson für immer weg.
Evelyn York hatte ihr stummes Ringen beobachtet. Er lachte leise. „Was denn? Zieht die Wildkatze den Schwanz ein?“
Lily reckte ihr Kinn in die Höhe. „Nein“, sagte sie fest. „Das niemals.“
„Gut. Dann hör zu, hier kommt mein Angebot: Ihr, du und deine Schwester, bleibt auch hier. Bei Grayson.“
Es war nur ein Strohhalm, aber Lily klammerte sich daran. „Warum?“, fragte sie heiser.
Der Duke seufzte. „Dein Bruder will sich nicht fügen.“
Lily war sich nicht ganz sicher, aber sie glaubte aus der Stimme Evelyn Yorks gleichzeitig Verärgerung und Bewunderung herauszuhören.
„Das ist momentan schwierig für uns, aber durchaus vielversprechend, wenn man an die Zukunft denkt, die vor Grayson liegt“, erklärte der Duke. „Er zeigt Potenzial. Ein Herrscher darf sich nicht fügen wollen. Doch um Grayson auf den richtigen Weg bringen zu können, brauche ich deine Unterstützung. Er ist zwar interessiert an unserer Welt, an allem was mit dem Volk der Fey zu tun hat, doch er redet immer nur von dir und deiner Schwester und davon, dass er zurück in euer Menschenhaus möchte. Ich brauche dich hier, um ihn umzustimmen. Siehst du das nicht im Bereich der Möglichkeiten“, er hob wie im Bedauern die Schultern, „werde ich mit ihm verschwinden. Die Entscheidung sollte dir nicht schwerfallen, Tigerlily.“
Er hatte Recht: Die Entscheidung fiel Lily nicht schwer. Wenn Gray bei den Yorks bleiben musste und ihr nichts einfiel, um das zu verhindern, würde sie auch bleiben. Sie zwang sich, zum Zeichen ihres Einverständnisses einmal zu nicken.
Der Duke lächelte. Und zum ersten Mal sah Lily ein Lächeln an ihm, das seine Augen erreichte.
Er freut sich, dass er gewonnen hat, dachte sie und fühlte wieder Hass in sich aufsteigen. Sie kämpfte ihn nieder, denn sie brauchte jetzt einen klaren Kopf. „Ich kann nicht für meine Schwester sprechen“, hörte sie sich selber sagen. „Am besten rede ich jetzt sofort mit ihr.“ Sie musste hier raus, weg von ihm, wollte zu Rose, um Kriegsrat zu halten und vielleicht doch noch eine Lösung zu finden. Lily wandte sich kurz entschlossen zur Tür.
Die Stimme des Dukes hielt sie zurück.
„Es gibt da nur noch ein Problem“, sagte er mit schleppender Stimme. „Ihr seid Lancasters. Wir sind Yorks. Wie erklären wir, dass wir plötzlich alle friedlich unter einem Dach leben? Nicht nur für eine Abendgesellschaft, sondern für eine lange Zeit? Jahre vielleicht? Graysons wahre Herkunft muss noch geheim bleiben. Vielleicht warten wir, bis er volljährig ist, vielleicht nicht ganz so lang. Jetzt jedenfalls ist er noch nicht bereit.“
Noch nicht bereit. Grayson ist noch nicht so, wie der Duke ihn haben will, erkannte Lily. Er will ihn sich zurechtformen. Aber das wird er nicht schaffen, solange Rose und ich da sind, um Gray daran zu erinnern, wer er ist und was richtig ist und was falsch. Das würde ihr Ziel sein: Gray vor den Einflüsterungen dieses Fey zu bewahren. Mit bitterer Zufriedenheit im Herzen drehte Lily sich um. „Wie war das?“, fragte sie höflich.
„Wir brauchen eine Erklärung“, wiederholte der Duke. „Hast du eine?“
Lily schüttelte von einer düsteren Vorahnung erfüllt den Kopf.
„Aber ich. Wie findest du das? Ich nehme das Mädchen in meinem Haus auf, das meinem Sohn sein Herz versprochen hat. Ist das nicht romantisch?“
Lily starrte ihn an. Drehte er jetzt völlig durch?
„Warum ich das tun sollte?“, fuhr der Duke fort. „Nun, ich bin ein treu sorgender Vater. Und weil ich der Ansicht bin, dass ihr Fairchild-Mädchen vielversprechende junge Damen seid, beschließe ich, etwas Gutes zu tun und euch unter meine Fittiche zu nehmen. Ist das nicht reizend von mir? Ihr
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