Elfentausch
den Augen weh.
Als sie aus dem Schatten vor der Höhle ins volle Licht traten, mussten sie sich zuerst orientieren. Sie konnten Rüdiger noch nirgends entdecken, obwohl er ja schon da sein müsste.
»Da hinten bewegt sich etwas«, deutete Tamara auf einen Busch in einiger Entfernung.
»Das sieht aber nicht wie Rüdiger aus«, meinte Börti. »Aber lasst uns doch einfach nachsehen.
Evelin packte den Freund wieder in die vordere Tasche ihrer Latzhose, nahm das Körbchen mit Dieters Proviant in die linke Hand und ging auf den Busch zu. Tamara schwebte vorsichtig über Evelins rechter Schulter mit. Als sie an dem Busch ankamen, waren sie sehr überrascht. Was sich da so wabernd hinter dem Busch versteckte, war eine kleine, mollige Regenwolke.
»Was macht den eine Wolke hinter einem Busch auf dem Boden?«, fragte Evelin verwundert.
Die Wolke blickte schuldbewusst und ein wenig ängstlich zu ihr hoch.
»Hallo!«, begann sie zu erklären. »Ich bin mit den anderen Regenwolken vor einigen Tagen vom Wind zu diesem Berg getrieben worden. Aber als alle geregnet haben, habe ich gesehen, dass sie sich dabei auflösen. Ich will mich aber nicht auflösen! Also habe ich mich versteckt und versuche, am Boden zu bleiben.«
Verwundert blickten sich die Freunde gegenseitig an. »Aber eine Wolke MUSS doch regnen«, sagte Tamara mit Nachdruck. »Das ist die Aufgabe einer Wolke. Zu nichts anderem sind Wolken da! Und der Regen, aus dem du bestehst, sickert in den Boden und wässert und ernährt Tiere und Pflanzen. Ohne Regen würde hier alles eingehen. Du bist doch sehr wichtig! Wie kannst du dich denn einfach weigern, zu regnen? Das geht doch nicht!«
»Das geht sehr wohl!«, gab die Wolke schnippisch zurück. »Du kannst mich doch nicht beschimpfen, nur weil ich nicht sterben will. Willst du denn sterben?«, fragte sie herausfordernd. Tamara wollte natürlich nicht sterben. Aber sie war ja auch keine Wolke. Also sagte sie gar nichts.
»Siehst du!«, sagte die Wolke triumphierend. Und um von dem Thema abzulenken, fragte sie auch gleich nach: »Aber was tut ihr denn hier? Es ist recht ungewöhnlich, dass ein Mensch mit einem Wichtel und einer Elfe reist – und dann noch in eine gefährliche Moor- und Sumpflandschaft.« Die drei Abenteurer hatten ja nun schon einige Übung im Erzählen und klärten die Wolke rasch über die Sache mit ihren Wünschen und der Hexe auf. Die Wolke reagierte natürlich wie jeder andere – sie war entsetzt und hatte Angst vor der Hexe. In diesem Moment kam Rüdiger dazu geflogen und ließ sich neben den Freundinnen zu Boden sinken. Er blickte nicht weniger erstaunt aus dem Gefieder als Tamara und Evelin kurz zuvor und musterte die Wolke eingehend. Die anderen mussten ihm die Geschichte von der kleinen Wolke kurz zusammenfassen, damit er auf dem neusten Stand war. Aufgeregt wie sie waren, mussten sie Rüdiger auch sofort von Dieter, dem Eumel erzählen. Sogar die Wolke hörte sehr gespannt zu. Solche tollen Sachen erlebte man nicht, wenn man als Wolke über der Erde schwebt und sich dann beim Regnen über einem Berg auflöst. Nachdem sie ausgiebig miteinander geplaudert hatten, wollten sie auch wieder aufbrechen. Es musste schon Nachmittag sein.
»Wir wissen ja immer noch nicht, wo genau die Hexe wohnt«, meinte Börti. »Und ich muss ja noch meine Verwandten, die Müllwichtel, finden. Wolke, hast du denn zufällig beim Herfliegen Müllwichtel oder das Häuschen der Hexe gesehen? Wenn man so klein ist, wie ich, dann sieht von hier aus alles gleich aus.«
»Oh ja!«, sagte die Wolke. »Ich habe die Müllwichtel gesehen, aber sie wohnen gar nicht in der Nähe der Hexe. Die Müllwichtel wohnen nahe bei einem Tümpel und die Hexe ein ganzes Stück davon entfernt. Wenn ihr wollt, kann ich euch den Weg zeigen. Ich habe momentan nichts Besseres vor.« Glücklich willigten alle ein. Die Wegbeschreibung des Eumels war die eine Sache, aber einen persönlichen Führer zu finden, der den Weg genau kannte und dem man nur nachlaufen musste, war eine ganz andere und auch viel bessere.
Also hob die Wolke ein Stückchen vom Boden ab und flog den Freunden ganz langsam voraus. Evelin trug Börti wie immer in der vorderen Tasche und Rüdiger und Tamara flogen gemächlich hinter der Wolke her. So setzte sich die seltsame Reisegruppe langsam und ganz aufgeregt in Bewegung, ihrem Ziel und der Erfüllung ihrer größten Wünsche entgegen.
»Da vorn ist der Tümpel, von dem ich euch erzählt habe«, meldete die Wolke.
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