Elfentausch
ja auch ausgesprochen riesig und beinahe so unerforscht wie ein neu entdeckter Kontinent. Oder etwa die Arktis oder die Regenwälder des Amazonas. Und schließlich konnte man selbst als Elfe nicht alle Lebewesen kennen. Besonders dann nicht, wenn man erst 135 Jahre alt war.
»Kennst du die Hexe etwa?«, fragte Evelin hoffnungsvoll. Wenn sie Glück hatten, würde der Wichtel ihnen eine Abkürzung nennen und sie wären ganz schnell bei ihr und auch ganz schnell wieder zu Hause in Sicherheit.
»Kennen ist zu viel gesagt«, meinte der Himbeerwichtel. »Ich habe bisher nur von ihr gehört – und nicht nur Gutes. Sie lebt sehr zurückgezogen im Sumpf und hat nur wenig Kontakt mit anderen. Es macht sich auch niemand gern auf den Weg in den Sumpf. Viele, die es versucht haben, sind nicht wiedergekommen; andere, die es geschafft haben, erzählen nur wirre Geschichten. Man erzählt sich, dass die Hexe Wünsche erfüllt, aber sie verlangt immer eine Gegenleistung dafür. Und nur die Verzweifelten sind mutig genug, sich darauf überhaupt einzulassen. Wer weiß, vielleicht hat sie ihre Besucher auch ihrem Drachen zu Fressen gegeben.«
»Ihrem Drachen?«, riefen Tamara und Evelin beinahe gleichzeitig. »Um Gottes willen, du meinst doch nicht wirklich einen DRACHEN?«
»Doch, ja, natürlich«, antwortete der Himbeerwichtel. »Aber es ist nur ein Schrumpfdrache. Er ist nicht größer als ein Reh, also kein Grund zur Besorgnis.«
Tamara vergaß vor Schreck mit den Flügeln zu schlagen, und plumpste zu Boden, Evelin wurde schneeweiß im Gesicht. Mit einem Drachen hatte keine von ihnen gerechnet. Und ein Drache so groß wie ein Reh war auch nicht ungefährlicher als in jeder beliebigen anderen Größe. Es war schließlich ein Drache! Verzweifelt starrten sie einander an.
»Was habt ihr denn nur?«, fragte der Himbeerwichtel. »Ihr habt doch nicht etwa Angst vor Drachen? Drachen fressen schließlich keine Elfen. Da hätten sie ja nicht genug im Magen. Aber Menschen ...?« Er blickte nachdenklich zu Evelin auf und musterte sie aus seinen roten Augen. »Bei Menschen bin ich mir nicht ganz sicher.« Evelin schluckte trocken. »Warum genau wollt ihr denn zur Hexe?«, fragte der Himbeerwichtel jetzt und stellte sein halb volles Körbchen vorsichtig auf den Boden. Nicht, dass den leckeren Moder-Morcheln etwas passierte!
Die beiden Freundinnen erklärten es ihm. Der Wichtel, der übrigens Börti hieß, starrte die zwei mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Nun ja, die Idee ist wirklich nicht schlecht. Ich würde zwar keine Elfe und kein Mensch sein wollen, aber wenn ich könnte, wäre ich vielleicht lieber ein Riese und Herrscher über den ganzen Wald.« Theatralisch hob er die Arme und breitete sie aus, während er sich einmal um sich selbst drehte. »Das wäre fantastisch«
Weder Tamara noch Evelin konnten nachvollziehen, warum ein Himbeerwichtel lieber ein Riese sein wollte, aber andererseits war dieser Wunsch so gut wie jeder andere. »Wollt ihr nicht mit zu mir kommen?«, fragte Börti. »Ihr könntet bei mir übernachten und morgen bei Tagesanbruch weitergehen.«
»Gute Idee«, sagte Tamara erfreut, besann sich aber sofort darauf, dass sie ja Evelin dabeihatte. Und die war viel zu groß für eine Wichtelwohnung. Evelin bemerkte Tamaras Blick und ihre Augen füllten sich schon wieder mit Tränen. Sie fühlte sich total fehl am Platz. Sie war ein Mensch, sie war zu groß, sie war zu ängstlich. Ja, wenn sie erst einmal eine Elfe wäre, dann wäre sie auch so tapfer und klein wie Tamara und dann könnte sie Börti besuchen und mit Schmetterlingen um die Wette fliegen. Sie begann sich schon wieder all die schönen Dinge im Geiste auszumalen. Schnell beruhigte sie sich wieder, weil es ihr peinlich gewesen wäre, vor dem Wichtel zu weinen. Und vor Tamara. Schon wieder. Also schwieg sie nur und zuckte mit den Achseln, während sie zwischen Tamara und dem Wichtel hin- und herblickte und auf eine Idee hoffte.
BÖRTI
Nach einer kurzen Pause, in der betretenes Schweigen herrschte, schlug Börti vor, sich einfach ins nahe Gestrüpp zurückzuziehen. So wäre man einigermaßen sicher vor Tieren und man könnte ja auch abwechselnd Wache halten. Dann könnten sie sich gegenseitig Gesellschaft leisten, bis die Abenteurerinnen wieder aufbrechen mussten. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und sie setzten sich ins Gestrüpp und teilten sich die Pilze, die Börti gesammelt hatte. Es war nicht besonders viel, weil Evelines
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