Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
versagt. Ihr kleinen ... Lieblinge.«
Sie zuckte kurz mit den Augenlidern, und die Pein endete. Gofannon stürzte stocksteif zu Boden. Er fühlte Blut in seinem Mund. Es verteilte sich über dem staubigen Boden. Nur ganz langsam ließ die Starre nach. Der Kau und er, dessen Mundwinkel so tief wie noch nie hingen, stützten sich gegenseitig. Auch wenn man es angesichts seiner Statur nicht annehmen konnte, verfügte der Kleine über beachtliche Körperkräfte.
»Ich werde euch zu mir rufen, sobald es mir gelungen ist, das Portal ausreichend zu stabilisieren. Dann werdet ihr durchgehen und mir so rasch wie möglich Bericht erstatten.«
»Woher wisst Ihr, dass wir die Schattenwelt verlassen können, Herrin?«, hörte er sich zu seinem eigenen Erstaunen fragen.
»Ganz einfach: Du, Gofannon, bist mir freiwillig hierher gefolgt. Deswegen steht es dir frei, jederzeit wieder zu gehen, wenn es denn einen Weg zurück gibt. Und diesen habe ich vor zu schaffen. Dasselbe trifft auch auf den Kau zu, den ich selbst hierher geschickt habe. Er gehorchte meinen Befehlen und ist deswegen ebenfalls nicht an die Schattenwelt gebunden.«
»Und warum, Königin Bandorchu, wählt Ihr ausgerechnet uns für diesen ersten Schritt zurück?« Wollte sie ihnen eine Chance geben, sich zu rehabilitieren?
»Der Übertritt ist mit vielen Gefahren verbunden. Ich habe so etwas niemals zuvor gewagt.« Bandorchu blickte ihn kalt an. »Ihr erscheint mir als die entbehrlichsten Lebewesen in meinem Gefolge. Überlebt ihr, ist es gut. Sterbt ihr – nun, es gibt genügend andere Versuchstierchen.«
Sie verkürzten sich die Tage des Wartens mit Streitereien, schliefen zwischendurch und ritzten mit ihren Fingernägeln Zeichen in die grauen Wände. Manchmal hatte es den Anschein, als würden die Mauern schreien, als würden die ehemaligen Wesen, die hier unter dem Bann Bandorchus begraben lagen, ihre Wut über dieses erbärmliche Leben nach ihrem Tod hinausbrüllen. Es kümmerte Gofannon nicht. Er pflegte sein Selbstmitleid, während der Kau die seltsame Kommunikation mit den Totensteinen mit all seiner Gehässigkeit pflegte.
Irgendwann kam der Moment, an dem die Königin sie rufen ließ. Wie viel Zeit war vergangen? Sie wussten es nicht. Ein älterer Elf, dessen wenige Ohrenhaare bis zum Boden hinabreichten, trieb sie vor sich her, hinein in den Thronsaal, der sich erneut verändert hatte.
Gofannon nahm sich die Zeit, sich umzuschauen und sich Details einzuprägen. Da war ein geschlossenes Fenster, dessen Ornamentik ihn vage an etwas erinnerte. Ein plumper Stein ruhte direkt neben dem Thronsessel. Gelbe Farbe triefte aus ihm, wie Schweiß aus Poren. Ein dunkles Juwel tanzte in einer Wasserfontäne und drehte sich dabei beständig um die eigene Achse. Flitter tauchte den Raum in buntes und müdes Licht, ohne schädliche Schatten zu erzeugen. Pergamentene Seiten mehrerer speckiger Lederbücher verbrannten Stück für Stück. Eine Flamme kochte wütend in einer Schüssel direkt neben Bandorchu. Meterhoch war sie, schwebte frei. Unbestimmte Zornesschwingungen gingen von ihr aus. Graue Maden krochen, aus winzigen Bodenlücken kommend, die senkrechten Wände entlang nach oben. Irgendwann verkrallten sie sich ineinander und wurden zu steinernen Arabesken.
»Ich experimentiere noch«, sagte Bandorchu, als sie Gofannons Blicke bemerkte. »Einerseits möchte ich an mein altes Schloss erinnert werden, andererseits will ich den besonderen Geist der Schattenwelt mit gestalterischen Mitteln einfangen.«
Ein tönerner Batzen fiel von der Decke herab. Wie frischer Kuhdung verteilte er sich annähernd kreisförmig. Während Gofannon zusah, versickerte das seltsame Material im Boden. Übrig blieben lange, dünne Fäden, die sich ineinanderkringelten und hypnotisierende Muster zeichneten.
»Ihr verschwindet gefälligst aus dem Thronsaal!«, herrschte Bandorchu die Mitglieder ihres Hofstaates an, die sich in hölzerne Sitzreihen im hinteren Teil des Raumes verkrochen hatten. Zwerge, Elfen und ein weiblicher Humbug erhoben sich. Mit fragenden, unsicheren Blicken auf ihre Herrscherin entfernten sie sich.
Bandorchu wartete, bis auch das letzte Wesen ihres Gefolges gegangen war und sich die hohen Türen knarrend schlossen. Erst dann wandte sie sich wieder dem Kau und Gofannon zu.
»Speichellecker sind sie, alle miteinander. Keiner ist auch nur annähernd brauchbar für meine Zwecke. Die Götter des Schicksals neigen in der Tat zur Ironie, dass sie mir ausgerechnet euch
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