Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
hatte. Drei Stunden bloß? Nadja meinte, eine Ewigkeit geschlafen zu haben.
Sie fühlte sich schmutzig.
Beschmutzt
. Es war nicht nur die Mischung aus rotem Fruchtfleisch und trockenen Blättern, die an ihrem Körper klebte, nein! Sie meinte, den Schmutz von ... unreinen Fingern zu fühlen. Dort, wo Darby sie angefasst hatte, hatte ihr Körper Erinnerungen behalten. Abdrücke, die sie anwiderten.
Sie zog ein Kissen vor ihre Scham und die zweite Hand vor die Brüste. Nadja fühlte sich beobachtet.
»Du dumme Pute«, murmelte sie. Es tat ihr gut, in dieser geheimnisvollen Stille die eigene Stimme zu hören. »Kannst du deine Sinne nicht einmal für ein paar Stunden beisammenhalten? Schöne Worte, ein charmantes Auftreten, ein freundliches Grinsen – und schon gibst du dich einem Wildfremden hin.«
Vorsichtig, als müsste sie befürchten, jederzeit von Cara angesprungen und aufgefressen zu werden, öffnete sie die erste der vier Türen. Seltsamer Geruch empfing sie. Das Licht ging an, offenbar durch Bewegungsmelder aktiviert.
Nadja stockte der Atem. Einige wenige Möbel im Louis-Quinze-Stil waren wie Kunstobjekte im Raum verteilt. Auf einem Perserteppich, dessen unglaublich feine Knüpfung den Preis des guten Stücks erahnen ließ, stand ein Biedermeier-Schreibtisch. Seine hoch polierte schwarze Platte war leer bis auf einen Füller, dessen Spitze in einer Vertiefung steckte.
Besonders beeindruckend war jedoch die Wandtäfelung, die fast vollständig aus Mosaiksteinen aus Bernstein bestand! Das spröde Material war in all seinen Farbschattierungen, von hellstem Gelb bis dunklem Ocker, in streng geometrischen Formen sortiert. Einige Spiegelpilaster durchbrachen den starren Formalismus. Wuchtige, mit Gold überzogene Schnitzereien schenkten dem Raum noch mehr ... Wucht. Wertvolle Wandlüster spendeten von oben herab protziges Licht. Einige kleine Ölgemälde waren anschaulicher Bestandteil dieses räumlichen Kunstwerks, das den Arbeitsraum einfasste.
War dies das seit dem Zweiten Weltkrieg verschollene Bernsteinzimmer des Zaren Peter des Großen? Nein, das konnte nicht sein!
Nadja trat zurück und schloss hastig die Tür hinter sich. Angst befiel sie. Angst, etwas gesehen zu haben, was nicht für ihre Augen bestimmt war. Stumm zählte sie bis zehn. Sie wollte weg von hier, so rasch wie möglich. Aber zuvor musste sie sich den Schmutz vom Körper waschen, komme, was wolle. Niemals hätte sie sich in ihrem Zustand zurück auf die Straßen Yorks getraut. Mit all der Fruchtgelatine, die auf ihrem Leib klebte, und diesem Juckreiz, der von Darbys Berührungen zu stammen schien.
Sie tat einen tiefen Atemzug und öffnete die Tür zum nächsten Raum. Hier herrschte nahezu vollständige Finsternis. Lediglich ein paar kleinere Dunkellichter sprangen an. Sie fokussierten auf Gemälde, die lose im Raum verteilt waren.
Stumm blieb Nadja stehen und ließ einwirken, was sie sah. Dann trat sie zurück. Abermals empfand sie diese unbändige Angst, von einer unbestimmten Macht gepackt und tiefer, immer tiefer gesogen zu werden. In den Minuten, die ihre Blicke über die Bilder gewandert waren, hatte sie einen Manet gesehen. Van Gogh war ihr begegnet, ebenso Schiele. Eine Steintafel mit urmenschlichen Bildmotiven wie aus den berühmten Höhlen von Lascaux. Zwei Brueghel-Miniaturen waren zwischen Arbeiten von Rembrandt, Turner, Gauguin und Monet angeordnet. Dazu kam ein gutes Dutzend alter Bilder, deren Meister sie nicht auf Anhieb identifizieren konnte.
Und in einer Ecknische, eigentlich einem Randteil der Gesamtkomposition des Raumes, hing die Mona Lisa.
Ihre Gedanken rasten, verwirrten sich, fanden zu seltsamen, völlig unpassenden Assoziationen. Plötzliche Übelkeit erfasste sie. Sie ließ das Bilderzimmer hinter sich, tastete sich weiter, entlang der Wände des Baumraumes, hin zur nächsten Tür.
Es war das Bad.
Kacheln, von denen jede einzelne handgebrannt war und unter der Glasierung Einschlüsse von Urtieren zeigte, erzeugten auch hier den Eindruck von ... von ...
Nein. Es war nicht der Luxus, der sie erschreckte, und auch nicht die Tatsache, dass es sich – wenn es denn tatsächlich die Originale waren – großteils um Diebesgut handelte, dessen Mysterien der Regenbogenpresse seit Jahrzehnten ausreichend Material lieferten, um die Sommerlöcher bequem zu füllen. Es war die Tatsache, dass diese Ansammlung von Kulturgütern nicht auf einem derart kleinen Raum konzentriert sein
durfte
. Das Wissen darüber drohte
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