Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
dem
irgendetwas
verzweifelt um sich schlug. Mit seinen neu gewachsenen, noch rosig glänzenden Fingern fing der frühere Gott ihn auf.
»Siehst du die Erker und Zinnen?«, fragte der Kau. »Die Konusse, die einmal Türme werden könnten?«
»Der Monolith ist für Bandorchu nichts als ein riesiger Riegel an knetbarem Baumaterial, den sie nun nach ihren Vorstellungen umgestaltet.« Eigentlich interessierten Gofannon derlei Dinge nicht besonders. All seine Sinne waren abgestumpft. Seine Vorstellungen von einem akzeptablen Leben beschränkten sich auf das Halbdunkel des Schlosses, möglichst wenig Bewegung und möglichst wenig geistige Beschäftigung. Nichtwissen bedeutete Ruhe. Wissen und scharfe Gedanken erzeugten Sorgen und Ängste. Im gedanklichen Stillstand wartete Erleichterung. Nur ja nicht über die Schattenwelt nachdenken, allen Problemen so weit wie möglich aus dem Weg gehen – so lautete Gofannons neue Lebensmaxime.
»Ich rieche Änderungen«, sagte der Kau, noch bevor der Tag um war. »Bedeutende Dinge gehen im Schloss vor. Ich glaube, dass die Zeit des Wartens und des Leidens vorüber ist.«
»Schade«, entgegnete Gofannon eineinhalb Jahre später.
Kurz darauf wurde er gemeinsam mit dem Kau in den Thronsaal gerufen.
»Nichts ist unveränderbar«, sagte Bandorchu nachdenklich. Sie marschierte auf und ab, quer durch den groß gewordenen Thronsaal. Das tief geschlitzte Kleid zeigte mit jedem Schritt die Blässe der makellosen, ewig langen Beine. »Die meisten von uns leben zu kurz, um den Wandel, dem alle Welten unterworfen sind, wahrzunehmen. Wasser verdunstet, ein Ozean wird zu Land. Land erodiert und macht einer Wüste Platz. Risse im Gestein, durch Erdstöße verursacht, lassen Wasser aus unterirdischen Reservoiren nach oben schießen und erzeugen etwas Neues. So war es immer, so wird es immer sein.«
Die Königin hatte wohl recht. Gofannon konnte sich dumpf daran erinnern, irgendwann einmal ähnliche Gedanken gehegt zu haben.
»In unserem Fall ist es mir gelungen, dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen. Darauf zu warten, dass die Sonne erlischt und die verfluchten Wolkenbänke endlich in sich zusammenfallen, hätte noch eine halbe Ewigkeit in Anspruch genommen. Und so viel Geduld bringe ich nun mal nicht auf.« Bandorchu blieb stehen. Sie blickte Gofannon und den Kau nacheinander an. »Es wird mir in Bälde gelingen, ein Portal entstehen zu lassen.«
Ein Portal?
Da war doch irgendwann ein Gedanke gewesen, unendlich wertvoll! Eine Sehnsucht, eine Hoffnung auf Freiheit. Völlig irrational und dennoch immer im Hinterkopf rumorend.
»Ein Portal?«, wiederholte Gofannon mit schleppender Stimme. »Einen Weg zurück in die Anderswelt?«
»Gibt es also doch etwas, das dich aus deiner Lethargie in die Wirklichkeit zurückholen kann, mein kleiner Gott?« Bandorchu lachte verächtlich. »Ja; ich spreche von einem Durchgang, der mir irgendwann die Rückkehr erlauben wird.« Sie nahm ihren unruhigen Marsch durch den deutlich vergrößerten Raum wieder auf. Wachs tropfte schwer von schwarzen Kerzen, die in metallene Wandhalterungen gespannt waren. Irgendwo im Hintergrund klimperten dünne Wasserfontänen auf zarte Metallgefäße und erzeugten seltsam klingende Musik. »Eine Ironie des Schicksals will es, dass ich mich mit Geduld wappnen muss, um diesem ... Gefängnis hier zu entkommen. Euch wertlosen Geschöpfen jedoch wird es möglich sein, das Portal recht bald zu nutzen.«
Was erzählte sie da? Sprach Bandorchu tatsächlich von ihm und dem Kau? Wollte sie sie neuerlich quälen, die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit in ihnen schüren, um sie anschließend wiederum zu vernichten?
Die Schatten, welche sich um sein Gemüt gelegt hatten, lichteten sich allmählich. Sie schmolzen dahin und machten jenem wachen Geist Platz, den er einstmals besessen hatte.
»Oh, keine Angst«, unterbrach die Königin seine Gedanken, »ihr könnt mir nicht entkommen. Beide gehört ihr für immer mir. Ihr werdet springen, wenn ich es befehle. Auch wenn wir durch die Abgründe der Welten voneinander getrennt sind, so verfüge ich doch jederzeit über euch.«
Bandorchu verschränkte ihre langen, schlanken Finger ineinander und murmelte ein paar Worte. Augenblicklich spürte Gofannon einen ziehenden Schmerz. Er schien aus dem Boden zu kommen, durchbohrte seine Zehen, Füße und Beine. Wie eine Schlange wand er sich hoch bis zu seinem Kopf, um sich dort einzunisten. »Dies nur als Vorgeschmack auf das, was euch erwartet, wenn ihr
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