Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
belogen, und ich Blödmann war halb wahnsinnig vor Sorge, dass der Getreue dich in seine Fänge bekommt ... Dabei bist
du
das Ungeheuer!«
»Das hat nichts zu bedeuten, Robert. Ich tat es weder gern, noch scheute ich mich davor. Ich tat, was notwendig war. Nicht mehr, nicht weniger.«
»Ich dachte, Fanmórs Gebot ...«
»Was kümmert mich Fanmórs Gebot? Ich lebe schon seit Jahrtausenden in der Menschenwelt und bin meinen eigenen Weg gegangen. Ich habe ihm nie einen Eid geschworen. Und jetzt sieh mich an.«
Automatisch gehorchte er, wenn sie diesen Tonfall hatte; er konnte nichts dagegen machen. Ihr Gesicht war schön und glatt wie immer, nichts Böses schien darin ruhen zu können. Doch dann zog sie die Lippen zurück, und zum ersten Mal sah er ihre Fangzähne unverhüllt. Groß, weiß, prächtig und spitz. Wie ein Panther.
»Ich bin eine Muse«, zischte sie, »
deine
Muse. Und ich bin eine Vampirin, wie du beim Vollmond bereits richtig vermutet hast.«
»Die sich die Sonne ins Gesicht scheinen lässt.«
»Stell dich nicht dumm, Robert. Ich bin kein Mensch, ich entstamme der Anderswelt. Ich wurde niemals gebissen oder verseucht, bin niemals mutiert oder was auch immer. Ich bin auch nicht untot, da ich nie starb. Ich bin so geboren worden und nach wie vor lebendig, aus Fleisch und Blut. Und ich war unsterblich, bis die Zeit in die Anderswelt kam. Um mir mehr Lebensdauer zu erkaufen, nahm ich Bandorchus Auftrag an, denn ich glaube, dass sie die Einzige ist, die uns helfen kann, die Ordnung wiederherzustellen. Fanmór ist alt und starr, seine Macht versiegt. Die Königin des Schattenlandes aber ist mächtiger denn je.«
»Und warum ausgerechnet ich?«, fragte er leise.
»Das liegt doch auf der Hand«, antwortete sie. »Als Grenzgänger kannst du nicht geduldet werden, außer du begibst dich in Bandorchus Dienste. Und genau das will sie, denn sie hält dich für nützlich. Sie verlangt deine vollständige Unterwerfung, dann wird sie dich in ihrem Sinne in der Menschenwelt einsetzen. Du kannst viel für sie tun.«
Robert fragte sich, ob sein Verstand sich nicht gerade von ihm verabschiedete, einfach die Schädeldecke öffnete, aus dem Gehirn stieg und dann durchs Fenster davonflatterte. Das wäre vermutlich eine Gnade. Dann brächten freundliche Männer Robert in ein nettes, abgelegenes Haus mit gut gedämmten Wänden, versorgten ihn, und er brauchte sich um nichts mehr zu kümmern. Seine Stimme klang hohl, als er fragte: »Warum hast du mich nicht gleich gebissen?«
»Weil ich eben auch die Muse bin und du großes Talent besitzt«, sagte sie fast freundlich. »Ich kann Talent nicht einfach zerstören, das würde mich mit einem Fluch belegen, wahrscheinlich auf Jahrtausende hinaus. Es gibt Regeln, weißt du? Sie sind sehr wichtig bei magischen Geschöpfen, nur durch sie erhalten wir die Ordnung aufrecht.«
»Hört sich an, als hättest du ein echtes Dilemma. Du verzeihst hoffentlich, dass ich dich nicht bedaure.«
»Es besteht kein Grund zum Zynismus. Beides lässt sich sehr wohl miteinander vereinbaren. Schließlich tue ich dies schon seit Tausenden von Jahren.«
Allmählich beruhigte er sich, sein gewohnter Fatalismus setzte sich durch. Er fror nicht mehr, und der tobende Schmerz in seinem Handgelenk war zu einem unangenehmen, aber erträglichen Pochen herabgesunken.
Eine Frage hätte er jetzt gern gestellt:
Hast du je etwas für mich empfunden?
Aber er ließ es bleiben, denn sie war zu menschlich. Anne würde ihn dafür verachten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kannten Elfen keine Liebe. Und Treue wahrscheinlich erst recht nicht. Es war besser, sich die Illusion der herrlichen Monate zu bewahren, die er mit ihr verbracht hatte. Auch wenn alles nur erlogen und berechnend gewesen war,
hatte
sie ihm eine schöne Zeit bereitet, und ihre Lustschreie im Bett waren garantiert nicht gespielt gewesen. So oft, wie
sie
ihn gefordert hatte – das wäre nicht notwendig gewesen, wenn es ihr nicht gefallen hätte.
Und nun musste er irgendwie dafür sorgen, dass er in ihren Augen nicht vollkommen verachtenswert erschien; so konnte er vielleicht noch eine Weile am Leben bleiben und nach einem Ausweg suchen.
Sachlich fragte er: »Und wie geht es jetzt weiter ... Lan-an-Schie?«
»Ich werde meinen Auftrag so schnell wie möglich erfüllen, sobald sich die Lage normalisiert hat. In ein paar Tagen.« Sie streckte die Hand aus und strich durch sein dunkelblond gelocktes, widerspenstiges Haar. »Du kannst mir nicht mehr
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