Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
Korallenkrone aufsetzen und folgte Golpash dem Zeremoniell gemäß auf den Thron. Eine Zeit lang herrschte Frieden. Eirinya verhielt sich ruhig und unauffällig. Sie bewegte sich kaum aus dem Korallentrakt, den ich ihr zugewiesen hatte. Ich tat, wozu ich erzogen worden war, und verwaltete das Reich. Irgendwie machte es mir sogar Spaß, die Krone zu tragen und Verantwortung zu übernehmen.« Laetico blieb stehen. »Du warst mir ein guter Freund, Fiomha. Und die kurze Zeit in Earrach lehrte mich, die Nase nicht zu hoch zu tragen und selbst für die niedrigsten Angehörigen des Gesindes, selbst wenn es nur Menschen waren, ein offenes Ohr zu haben.«
»Was geschah dann?«
»Dann änderten sich die Dinge. Schleichend, ohne dass ich sie wahrnahm. Die anderen Elfen gingen auf Distanz zu mir. Mädchen mieden meine Gesellschaft, ich musste meist allein schlafen. Hinter meinem Rücken wurde getuschelt. Unfälle geschahen. Ein Korallenausleger brannte ab und forderte mehrere Tote. Jukho und Cybraim wurden bei einer Sauhatz von den eigenen Spurbären zerrissen. Ich verstand nicht, was eigentlich vor sich ging, bis ...«
»Ja?«
»Bis ich dahinterkam, dass ich selbst für diese Ereignisse die Schuld trug.«
Hilflos schluchzte der Elf und schlug die Hände vor seine entstellten Augen. Eine Geste, die mir mit einem Mal sehr menschlich vorkam.
»Erzähl weiter.«
»Eirinya hielt mich bereits seit geraumer Zeit in ihrem Bann. Vom ersten Moment an, da ich nach Escur zurückgekehrt war, hatte sie mich mit ihrer Magie umsponnen und umgarnt. Ich rutschte unwissentlich immer tiefer in eine Art ... Abhängigkeit. Und Quantipot war ihr Erfüllungsgehilfe.«
»Der Kämmerer?«
»Ja. Eirinya hatte ihn bezirzt und für ihre Pläne eingespannt. Der alte Narr ist blind vor Liebe und tut das, was sie ihm aufträgt. Er vergiftete meinen Wein, setzte mich unter Drogen und verbreitete bösartige Gerüchte über mich, sodass sich alle anderen Schlossbewohner von mir abwandten. Bis ich die letzten meiner Freunde verlor.« Laetico beäugte misstrauisch einen Krug Wasser, tat aber dann doch einen tiefen Zug daraus.
»Während der Nachtstunden tat ich Dinge, von denen ich nichts ahnte. Eirinya besitzt eine ganz besondere Gabe. Mit unglaublichem Instinkt findet sie die größten Schwächen ihrer Opfer. Quantipot verfiel ihren Verführungskünsten, ich scheiterte an meiner Schwäche für schweren Wein. Sie mischte Mittelchen darunter und brachte mich dazu, die grausamsten Taten zu begehen. Ich zündete den Korallenarm an. Ich vergewaltigte Mädchen. Ich befreite die Spurbären, sodass sie meine beiden besten Jäger zerrissen. Und viele andere Dinge ...«
Laetico wandte sich von mir ab. Er würgte, doch er konnte nicht erbrechen.
»Mein Leben wurde zum ewigen Albtraum, das Korallenschloss zu meinem Gefängnis. Wie eine Figur an den Fäden einer Puppenspielerin zappelte ich umher, während Eirinya mit all ihrer Willkür über die Bewohner Escurs herrschte. Ich vermute, dass deine Weigerung, bei ihr zu bleiben, etwas in ihr zerstört und sie in den Wahnsinn getrieben hat.«
Ich dachte an die lange Zeit, die ich im Reich der Menschen verbracht hatte. Wie viele Jahre waren vergangen? Dreihundert? Vierhundert? Und so lange hatte Eirinya Rache an ihrem Stiefsohn betrieben!
»Die Königin blieb auch an einer anderen Front nicht untätig. Sie hatte ein ganz besonderes Netz gewoben. Im gesamten Königreich Earrach sind ihre Informanten und Spione unterwegs. Sie verbündete sich mit ihresgleichen ...«
»Mit
ihresgleichen?«
Ich verstand nicht, was Laetico meinte.
»Während deiner Abwesenheit waren Scharmützel zwischen den Königreichen an der Tagesordnung. Man ersann Intrigen, und neue Mächte schoben sich in den Vordergrund, die die Anderswelt frisch ordnen wollten«, fuhr Laetico fort. »Eirinya schloss sich den
Jungpalzoken
an, einer Gruppe ehrgeiziger Angehöriger des Hochadels. Ich verstehe zu wenig von hoher Elfenpolitik und wurde von allen Nachrichtenkanälen ausgeschlossen. Tatsache ist, dass die Jungpalzoken meine Stiefmutter baten, sie in Fanmórs Baumschloss zu vertreten.«
Auch ich hatte mich nie um die Ränkespiele meines Volkes gekümmert. An Fanmórs Hof wurde intrigiert, wurden Allianzen geschmiedet und gleich darauf wieder gebrochen, betrogen und gelogen.
Rivalisierende Elfenstämme schoben ihre Untergebenen wie Figuren auf einem Spielbrett hin und her. Zwerge, Trolle, Pixies, Kobolde und wie sie alle hießen – sie waren nicht
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