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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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entseelt zu Boden. Die nachdrängelnden Angreifer trampelten über sie hinweg, als wäre sie nichts wert, gar nichts. Als wäre sie Müll.
    Ich hatte gedacht, dass meine Angst nicht noch größer werden konnte; doch ich irrte mich. Denn die Barbaren wurden von einer Gestalt angetrieben, die ich aus einer lange vergessenen Zeit kannte:
    Bellona.
    Die Annuna-Göttin erblickte mich. Sie winkte mir zu und stieß ein lautes, ein hässliches Meckern aus. »Sagte ich nicht, dass wir uns wiedersehen würden?«, brüllte sie übers Wasser.
    Mit weiten Schritten drängte sie sich zwischen die Römer, wischte die beiden letzten überlebenden Wächter wie Lappen beiseite – und zerteilte mit einem fürchterlichen Hieb den Kopf einer Frau.
    Sicilla? Julia? Ich konnte es nicht ausmachen. Brandruß legte sich über die Landschaft. Er ließ mich die Situation wie hinter einem Nebelvorhang erkennen.
    Nichts in mir funktionierte mehr so, wie es sollte. Jedes elfische Denken verlor an Sinn. Ich ließ die Ruderriemen fallen, stürzte mich in die Fluten und begann, gegen die sanfte Strömung anzuschwimmen. Der treue Bluthase Cucurr sprang mir hinterher, obwohl er Wasser auf den Tod nicht ausstehen konnte.
    Noch waren es gut und gern fünfzig Meter bis zum Ufer. Doch die Sorge um meine Liebste hielt mich so sehr im Griff, dass ich keinen Augenblick lang an mein eigenes Schicksal dachte. Guirdach schlug mit jeder Bewegung gegen meine Oberschenkel, und das Körpertuch zog schwer an mir und verlangsamte mein Vorwärtskommen. Meine Lungen drohten zu platzen. Ich gab alles.
Mehr
als alles, nur um so rasch wie möglich den Ufersteg zu erreichen.
    Bellona sang mit hoher Falsettstimme ein Lied, dessen Worte ich nicht verstand. Sie ließ ihre Waffe kreisen, umtänzelte Gaius Albus, den alten Römer, und fügte ihm mit grausamer Gemächlichkeit eine Wunde nach der anderen zu. Die Göttin kümmerte sich nicht um die schwachen Abwehrversuche der beiden übrig gebliebenen Töchter. Deren Stichhiebe wischte sie mit provokanter Lässigkeit beiseite.
    Endlich, endlich konnte ich erkennen, wer da noch auf den Beinen stand: Es waren Julia und Sicilla!
    »Willst du dein Liebchen retten?«, rief mir Bellona zu. »Bist du denn schnell genug? Bist du da, wenn sie dich braucht, das arme und zarte Geschöpf?« Erneut lachte sie meckernd. Ich sah feurigen Speichel aus der Schnauze ihres Hammelkopfes zu Boden tropfen. Die Annuna-Göttin genoss meine Verzweiflung, und sie zog weitere Kraft aus all jenen Opfern, die zu Boden gesunken waren und starben.
    Ich fühlte den Boden unter den Füßen. Weich und nachgiebig war er, und er schien mich zurückhalten zu wollen. Ich musste das Wasser unbedingt über den Landesteg verlassen. Der Morast war tückisch.
    »Soll ich auf dich warten, bevor ich die beiden Weibsbilder zerstückele?«, schrie Bellona. »Wollen wir um diese zarte, knusprige Beute kämpfen? Beeil dich doch, mein Kleiner! Oder gehen dir die Kräfte aus?«
    Sie verhöhnte mich, rief mir Obszönitäten zu und trieb indes weiterhin ihr böses Spiel mit den letzten drei Überlebenden des Massakers. Ihre barbarischen Helfer waren längst zurückgewichen. Laut johlend verteilten sie die Beute: Geschmeide und wertvolle Kunstgegenstände, die sie schon vorab aus der Villa geschleppt hatten.
    Meine Sinne nahmen dies alles mit erschreckender Klarheit auf, während ich durchs seichter werdende Wasser stampfte, watete, kämpfte. Immer wieder rutschte ich weg, versank in der dunklen Brühe. Immer wieder kämpfte ich mich hoch, machte weiter.
    Ich sah zu, als Bellona Gaius Albus mit wie beiläufig geführten Hieben den linken und dann den rechten Arm abschlug.
    Ich sah, wie sie den völlig erschöpften und wehrlosen alten Mann zu Boden drückte, das Schwert an seinem Kopf ansetzte und zuschlug. Es war absurd und sprach der unfassbar grauenvollen Situation Hohn, doch mit einem Mal glaubte ich, Gaius Albus’ vorwurfsvolle Stimme hören zu können. Sie beschimpfte mich, weil ich nicht in der Lage gewesen war, seine Töchter zu beschützen ...
    Mühsam schob ich diese Eindrücke meiner überreizten Fantasie beiseite; für sie war keine Zeit. Ich sprang an einer der Holzbohlen des Stegs hoch, hielt mich fest und zog mich mit dem letzten Rest verbliebener Kraft auf den Bretterboden. Vor meinen Augen tanzten weiße Punkte auf und ab. Alles in mir schrie nach Erholung. Ich musste liegen bleiben, musste wenigstens ein wenig Atem schöpfen.
    Bellona war so nahe. Sie hatte Julia

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