Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
man mit denen besser verhandeln kann als mit einem Draugr. Das sind Tote, die sozusagen ihren Tod verpasst haben. Man sagt, sie hätten beachtliche magische Kräfte, aber zum Glück sind sie nicht die Schnellsten – weder im Laufen noch im Denken. Trotzdem würde ich mich nicht mit einem anlegen wollen. Sie sollen sehr stark sein, nahezu unverwundbar, und sie verbreiten Leichengift. Sich von ihren Krallen verletzen zu lassen ist wohl eine sehr schlechte Idee. Mein Großvater hat erzählt, dass zu Zeiten seines Großvaters hier einer umging. Daher kamen die Gerüchte, dass es in den Hügeln ein Grab gäbe. Bisher hat sich allerdings noch niemand ernsthaft darum gekümmert, es zu finden.«
Rian fröstelte. Der wandelnde Tote erinnerte sie an den verirrten Schatten, den sie berührt hatte. So ein Draugr musste sich ähnlich fühlen wie dieser Geist – haltlos, verloren, immer auf der Suche nach Wärme und Leben, um es aufzusaugen. Vielleicht waren es ja sogar Annuyn-Schatten, die diese Körper belebten. Mats hatte gesagt, die Grenzen zwischen der Welt der Sterblichen und der Anderswelt seien in dieser Gegend schon immer dünner gewesen. Galt das etwa auch für die nach Annuyn? Vielleicht war das, was sie erlebt hatte, gar nicht auf ein neues Aufweichen der Trennlinien zurückzuführen?
Aber es war ein Übergang von Annuyn nach Earrach gewesen, nicht in die Menschenwelt
, stellte sie für sich fest.
Und hätte es so etwas jemals zuvor gegeben, hätte ich sicher davon gehört.
Sie war erleichtert, als Mats die Tür zum »Röda Thor« aufstieß und ihnen Wärme, Licht und gedämpftes Stimmengewirr entgegenschlugen. Erstaunt blieb sie stehen. »Wo ist David?«
Birte nahm eine Hand vom Lenkrad und zeigte nach vorne. »Da ist mein Haus, auf halber Höhe des Hügels.«
David spähte durch die Dunkelheit und erkannte ein großes zweistöckiges Haus, das von schlanken Bäumen flankiert wurde. Daneben glaubte er ein kleineres Gebäude auszumachen. Birte bog auf eine mit hellem Kies bestreute Auffahrt, die zwischen Ziersträuchern den Hügel hinaufführte.
»Es ist ein altes Herrenhaus«, erklärte sie dabei. »Wobei ›Herrenhaus‹ im Zusammenhang mit dem Umfeld zu sehen ist – das hier war immer eine dünn besiedelte Gegend, in der man hauptsächlich von der Fischerei, dem Holzabbau und ein wenig Landwirtschaft lebte. Entsprechend bescheiden lebten die Herren im Vergleich zu anderen.«
»Es ist trotzdem nicht gerade klein, scheint mir.«
Birte seufzte, hielt vor der Eingangstür und stellte den Motor ab. »Zumindest schluckt es Unsummen an Heizkosten«, sagte sie. »Und wenn ich mir nicht eine Haushälterin und alle paar Wochen einen Gärtner leisten könnte, wäre es unmöglich, alles in Schuss zu halten. Die Vorbesitzer haben ein Vermögen in die Modernisierung gesteckt und sind daran bankrottgegangen. Mein Glück, denn ich konnte das Haus vergleichsweise günstig ersteigern.« Sie öffnete die Fahrertür und stieg aus. David folgte ihr.
Drei Stufen führten zum Eingang hinauf. Während er sie hochstieg, hielt David den Blick auf Birte gerichtet, die bereits vor der Tür stand und in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel kramte. Der taillierte Mantel aus dünnem, hellem Leder betonte jede Rundung ihrer schlanken Figur. Sie hatte den Kragen gegen die Kälte hochgestellt, sodass der weiche Schwung ihres Nackens bis zum Ansatz ihrer langen dunkelblonden Haare, die sie mit einem dunklen Samtband und einigen perlenbesetzten Haarnadeln hochgesteckt hatte, verborgen war. Die hohen Bögen ihrer Augenbrauen verliehen ihr einen leicht fragenden Ausdruck, der arrogant hätte wirken können, wären nicht die warmen goldbraunen Augen darunter gewesen. Die gerade Nase und der ebenmäßige Mund mit den vollen, natürlich roten Lippen erinnerten David an eine griechische Statue. Alles an ihr hatte diese perfekte, marmorne Schönheit. Doch er spürte, dass mehr darunter lag, und je länger er sich mit ihr im
Gasthaus unterhalten hatte, desto stärker war das Verlangen in ihm angewachsen, ihr verborgenes Feuer hervorzukitzeln. Kurz blitzte in ihm die Erinnerung an Nadja auf, an den Moment in einer Seitengasse in Paris, als er zum ersten Mal ihr Begehren entfacht hatte, doch das Bild verblasste wieder, als Birte ihn mit den Fingerspitzen antippte.
»Nicht tagträumen«, schmunzelte sie. »Es ist schließlich fast Nacht!«
Sie hatte inzwischen aufgeschlossen, stieß nun die Tür auf und ging voran. Scheppernd landete ihr
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