Elidar (German Edition)
gewinnt man, meistens verliert man.« Er hustete und lachte wieder. »Du hast verloren, oder?«
Elidar schluckte. »Ja, das habe ich wohl«, sagte sie. »Du aber auch, Bär.«
Sie erahnte ein Achselzucken. »So ist das Spiel. Weißt du, was ich wirklich vermissen werde? Meine Pfeife.« Er hustete. »Ich bin froh, dass ihr mich jetzt schlafen schickt. Meine Lunge ist hinüber, ich könnte keine Pfeife mehr rauchen. Ich werde gut schlafen.« Seine Finger lösten sich von ihrer Hand. Sie sah, wie er sie unter der Decke bewegte, dann tauchten sie wieder auf und hielten etwas.
»Hier«, sagte er. »Nimm. Er gehört dir, du hast ihn dir verdient.« Er drückte ihr den Gegenstand in die Hand. Sein Arm fiel herab und baumelte schlaff von der Trage. »Macht schnell«, krächzte er mühsam. »Es tut verdammt weh!«
Elidar hörte, wie Sturm an ihre Seite kam. »Ich bereite den Rigor vor, du sprichst den ersten Schlüssel«, sagte er knapp. Er sah den Verhüllten an. »Leb wohl, alter Freund«, sagte er. »Du hast dir dies hier selbst ausgesucht.«
»Nicht ganz«, keuchte Bär. »Aber ich will nicht undankbar sein. Leb wohl, Casarius.«
Sturm hob die Hände und wob ein leuchtendes Gespinst über den Liegenden. Dann sah er Elidar auffordernd an. Erst stockend, dann mit immer fester werdender Stimme wirkte sie den Bannspruch. Schon während sie die letzten Worte sprach, sah sie, wie die Gestalt ihres Lehrers und Freundes unter ihrer Verhüllung erstarrte und sein Atem erstarb.
Sie beendete den ersten Schlüssel und sah Sturm an, erschöpft und traurig. Der Magier nickte ihr zu. Dankbar für die Entlassung zog sie sich ein Stück zurück und fand jetzt erst die Muße, sich anzusehen, was Bär ihr als letzten Gruß und Vermächtnis gegeben hatte.
Eine fein gearbeitete goldene Spinne mit roten Augen und schwarzgoldenen Beinen sah sie von ihrer Handfläche an. »Oh«, sagte Elidar leise. »Dein Ring!« Sie nahm ihn und schob ihn auf den Zeigefinger. Er passte. Sie meinte, das leise Lachen Bärs zu hören.
Elidar blickte hastig auf. Hatte Sturm gesehen, was Bär ihr gegeben hatte? Der Ring wies sie als Mitglied des Spinnenordens aus - mindestens so deutlich, wie das eine Tätowierung getan hätte. Die Tätowierung würde sie nun nicht mehr erhalten, und auch ihren Habit würde sie höchstwahrscheinlich abgeben müssen. Aber diesen Ring wollte sie um jeden Preis behalten! Hastig zog sie ihn wieder ab und steckte ihn ein.
Sturm vollendete den Rigor. Das leuchtende Gespinst war erloschen und hatte einem düsteren blauen Glühen Platz gemacht. Der Magier wandte sich um und fuhr mit einer erschöpften Geste über seine Stirn. »Ich werde Anweisung geben, ihn in eins der leeren Zimmer im Obergeschoss zu bringen«, murmelte er. »Es kommt mir nicht richtig vor, ihn in den Keller zu verbannen.«
Elidar sah erstaunt, dass Tränen in seinen Augen standen.
Er straffte seine Schultern und blinzelte. »Gehen wir«, sagte er knapp.
Draußen holte er tief Luft. »Jetzt zu dir, Elidar.« Er wandte unbehaglich den Kopf. »Lass es uns hinter uns bringen. Ich hatte zwar für heute genug Unerfreuliches auf dem Tisch, aber diesen Nachtisch möchte ich mir nicht für morgen verwahren.«
Sie nickte grimmig. Ihren Abschied aus dem Orden - oder besser gesagt, ihren Hinauswurf - als unerfreulichen Nachtisch eines unverdaulichen Mahles bezeichnet zu sehen, war ein kleiner Schmerz, der sich zum großen hinzufügte. Aber angesichts des Schicksals, das Bär nun für eine unermessliche Zeitspanne ertragen musste, war ihr Schmerz wirklich zu unbedeutend, um sich daran aufzuhalten.
»Ich habe schnell gepackt«, sagte sie deshalb nüchtern. »Wenn es Euch so leichter wird, bin ich bereit, das Ordenshaus heute Abend noch zu verlassen.«
Er sah sie überrascht an. »Nein, nein, das ist nicht nötig«, sagte er. »Aber ich danke dir für dein Angebot. Morgen, Elidar. Morgen reicht vollkommen. Nach einem guten Frühstück, hörst du?«
Sie nickte. Dann konnte sie sich noch verabschieden. Eusebian. Ambrosius Schnee. Valon.
Valerian. Ihn würde sie wohl nicht wiedersehen. Der Gedanke tat unerwartet weh.
»Morgen früh dann also«, sagte sie rau.
27
D ie letzte Nacht im Ordenshaus, das ihr so lange Schule und Zuhause gewesen war, brach an. Nachdem sie sich von ihren wenigen Freunden verabschiedet hatte, suchte sie Eusebian, den Cubicular auf, um ihm ihren Habit und den abgewetzten alten Lederbeutel zurückzugeben, in dem sie all die Equils ihre Bücher
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