Elidar (German Edition)
beide waren in endlosen Sitzungen schier daran verzweifelt, die in ihr schlummernde Magie zu einer halbwegs zuverlässigen Kraft und Reife zu bringen - was Elidar trotz aller Bemühungen bisher nicht gelungen war. Sie zweifelte längst daran, dass sie ein Windmagier sein sollte, aber ihre Versuche, diesen heiklen Punkt mit Magnifizenz Sturm zu besprechen, waren nicht allzu produktiv verlaufen. Das allerdings schien sich jetzt, nach der fatalen Prüfung und der Beurteilung durch den Erzmagus, verändert zu haben. Sturm schien bereit, einen Irrtum einzugestehen. Elidar erwartete gespannt sein Urteil.
Der Magus kehrte aus seinen Gedanken zurück und fixierte Elidar mit einem unangenehm klaren Blick. »Du hast es ja schon einige Male angesprochen«, sagte er. »Du denkst ebenfalls, dass Feuer dein Element ist.«
Es war keine Frage, aber Elidar nickte.
Sturm ließ einen kleinen Seufzer hören. »Du stellst alles auf den Kopf, was ich weiß oder zu wissen glaube. Schau in die Bücher, junger Magus. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass ein Äthermagier mit der Feuerenergie arbeiten kann.«
»Nahezu bedeutet nicht vollkommen«, wandte Elidar ein. »Die Drachen …«
»Dummes Zeug und alter Aberglaube«, fuhr Sturm auf. »Wenn es wirklich jemals in grauer Vorzeit Drachen gegeben haben sollte, die über magisches Potenzial verfügten - was ich persönlich bezweifle – dann mag es sogar sein, dass sie mit Feuer und Äther ihre Magie gewirkt haben. Aber du stammst aus Yasaim, du kennst die Drachen. Sie verfügen über keinerlei Magie.«
»Wie Frauen«, konnte Elidar sich nicht verkneifen.
»Ganz recht«, bekräftigte Sturm. »Das ist das Prinzip der sich ausschließenden Kräfte. Die Urväter der Drachen waren möglicherweise einmal feuerspeiende Wesen, wie wir sie aus den Sagen kennen. Möglicherweise! Das würde aber nach heutigen Erkenntnissen bedeuten, dass sie keine Äthermagie beherrschten. Und Frauen sind zu sehr an die Materie gebunden, um über die feineren geistigen Kräfte zu verfügen. Es geht einfach nicht zusammen, junger Freund. Feuer und Äther, Frauen und Magie …« Er versank wieder ins Grübeln.
Elidar war noch nie zuvor so nahe an den Abgrund getreten, in den sie jetzt hineinblickte. Ein einziger Schritt nach vorne, die Worte: »Ich bin eine … ich bin kein Mann!« – und dann? Der Absturz in eine bodenlose Leere. Sie war unfähig vorherzusagen, wie Sturm darauf reagieren würde. Sie verschränkte fest die Hände und schloss die Augen. Es war ein unsinniger Impuls, den es zu überwinden galt. Was sollte sie damit gewinnen? Nein, sie würde alles verlieren, was sie sich erarbeitet hatte. Sie würde ein Magister unter Magistern sein, ein Mann unter Männern. Das war der Preis, den sie mit Freuden für das Erreichen ihrer Ziele zu bezahlen bereit war - ein lächerlich geringer Preis, wie sie fand.
»Was denkst du?«, schreckte Sturm sie aus ihren Gedanken.
»Ich denke, dass wir nichts verlieren, wenn wir als Hypothese einmal davon ausgehen, dass ich Feuermagier bin«, erwiderte Elidar, ohne sich ihre wahren Gedanken anmerken zu lassen.
Sturm nickte nachdenklich. »Das klingt vernünftig«, sagte er.
»Ich werde also nicht relegiert?«, wagte Elidar sich vor.
Sturm antwortete eine erschreckend lange Weile nicht. Er hatte die Finger ineinander verhakt und klopfte mit dem Daumen gegen sein Kinn. »Nein«, sagte er dann. Elidar biss die Zähne zusammen. »Nein, die Entscheidung hierüber steht noch aus, und ich kann und werde sie nicht alleine treffen. Ich könnte zwar kraft meines Amtes das Kollegium hierbei übergehen. Aber eine solch einsame Entscheidung, was die Ernennung eines neuen Mitglieds unserer Bruderschaft betrifft, würde das innere Gleichgewicht des Ordens empfindlich stören, und das kann ich nicht verantworten.«
Elidar ließ den Kopf sinken. Das waren böse Nachrichten.
»Sie werden wohl kaum für mich stimmen, nachdem ich Euch so übel mitgespielt habe«, sagte sie resigniert. »Euer gesundheitlicher Zustand …«
»… hat nicht das Geringste mit dir und dem Vorfall bei deiner Prüfung zu tun«, erwiderte Sturm mit erstaunlicher Heftigkeit. Elidar sah ihn erstaunt an.
»Es war zwar nicht gerade ein Genesungsmittel, das du mir da verabreicht hast«, fuhr Sturm fort, »aber du bist nicht die Ursache für diesen - diesen unerträglichen Zustand der Gebrechlichkeit.« Er ließ in einer ohnmächtigen Geste seine Faust auf die Armlehne des Sessels fallen. Elidar wusste nicht, was
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