Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Du findest den Namen des Gemäldebesitzers. Und ich finde die Namen hinter den Ziffernkodes heraus.«
26
Elina erwog, eine neue Verhörrunde mit den engsten Mitarbeitern Wiljam Åkessons zu starten. Besonders interessierte sie, was Sixten Eriksson zu sagen hatte, da sie das Gefühl nicht loswurde, dass er auf ihre Frage nach Åkessons Vietnamreise etwas zurückgehalten hatte. Aber sie beschloss, die Antworten von Geheimdienst und Nachrichtendienst abzuwarten. Kärnlund hatte betont, dass es eilig sei und außerdem die jeweiligen Chefs angerufen, um noch mehr Druck zu machen.
John Rosén hatte beschlossen, nur noch einen Tag in Luleå zu bleiben. Den wollte er nutzen, um die Suche nach jenen Kommunisten, die 1962 aktiv waren, zu organisieren. Es galt, jemanden zu finden, der ihm eine Mitgliedsliste besorgen konnte. Wenn ihm das gelang, hatte der Chef der Kripo von Luleå versprochen, einen Mann zur Verfügung zu stellen, der herumfuhr und das Foto vorlegte. Sobald man eine Fährte gefunden hätte, würde Rosén wieder nach Luleå fliegen und ein ordentliches Verhör mit dem Informanten führen. Und, wie er hoffte, mit dem möglicherweise identifizierten Gemäldebesitzer.
Elina kam der Vormittag sehr lang vor, denn sie hatte fast nichts zu tun. Sie aß mit Henrik Svalberg in der Kantine. Svalberg fragte sie, wie weit sie mit Åkesson gekommen waren, und sie berichtete ihm, in welchem Stadium der Ermittlung sie und Rosén sich befanden. Aber sie merkte, dass er ihr kaum zuhörte; irgendetwas anderes nahm seine Gedanken in Anspruch.
Sie beendeten ihr Mahl schweigend.
»Also«, sagte Elina und sah ihn an. »Also?«
Henrik Svalberg legte das Besteck sorgfältig beiseite und schob das Tablett von sich.
»Erinnerst du dich an Minette? Minette aus Kopenhagen, die ich im letzten Sommer im Urlaub getroffen habe? Hab ich dir erzählt, dass wir im Frühjahr zusammengezogen sind?«
»Du hast es erwähnt, ja. Daran erinnere ich mich.«
Henrik Svalberg war plötzlich ganz aufgeregt.
»Wir bekommen ein Kind«, verkündete er glücklich.
Elina dachte schon, er würde aufstehen und einen Luftsprung machen.
»Wie schön«, sagte sie und suchte nach den richtigen Worten. »Wunderbar. Gratuliere.«
Ihr Magen zog sich zusammen.
Nach dem Essen war sie so ruhelos, dass sie beschloss, das Präsidium zu verlassen und einen Spaziergang zu machen. Sie ging die Storagatan hinunter und begegnete Wahlhelfern aller Parteien, die Flugblätter verteilten; je näher sie der Kreuzung mit der Vasagatan kam, umso mehr wurden es. Die Leute waren leicht bekleidet, es war warm, obwohl es schon Anfang September war. Elina trug einen roten Blazer und blaue Jeans. Sie betrachtete sich in einem Schaufenster. Ihr Spiegelbild wanderte genauso einsam dahin wie sie selbst.
Unbewusst griff sie nach ihrem Handy, erstickte aber rasch den Reflex, Martin anzurufen, kehrte um und ging die Storagatan zurück. Auf der anderen Seite sah sie ein Plakat, das nicht für die Wahl warb. »Chorabend im Konzertsaal«, stand da. Sie ging hinüber, um den klein gedruckten Text zu lesen. Einer der Chöre, der auftreten würde, waren »Die Singvögel«. Diesmal erstickte sie den Impuls anzurufen nicht, sondern wählte die Nummer von Aros Kanzlei.
»Susanne«, sagte sie, als die Freundin sich meldete, »hast du Lust, mich heute zu einem Chorabend zu begleiten? Ich bin aus einem bestimmten Grund neugierig, und es wäre schön, wenn ich nicht allein wäre.«
»Kann nicht. Johan ist auf Reisen. Emelie, du weißt ja. Kannst du hinterher nicht bei mir vorbeikommen?«
»Gern, wenn es nicht zu spät wird. Und entschuldige, dass ich an Emelies Geburtstag einfach verschwunden bin.«
»Macht nichts. Übrigens Elina, sollte ich heute Nachmittag nicht dabei sein?«
»Danke, aber das ist nicht nötig. Ich werde nur Fragen beantworten. Wenn ich einen Anwalt mitbringe, wirkt das ja fast wie ein Schuldeingeständnis.«
»Wenn du heute Abend nicht kommen kannst, versprich mir, dass du mich anrufst und erzählst, wie es dir ergangen ist.«
»Ganz bestimmt, tschüs.«
Elina schaltete das Telefon aus und sah auf die Uhr. Es war Viertel vor zwei. In fünfzehn Minuten würde sie von einem internen Ermittler verhört werden.
Dem Polizisten auf der anderen Seite des Tisches war sie noch nie begegnet. Er hatte graues kurz geschnittenes Haar und blaue Augen.
Gute fünfzig, schätzte Elina. Sieht ziemlich nett aus.
Sie lächelte schwach, war jedoch etwas unsicher, ob sie eine
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