Elke im Seewind
Die Einladung, ihre Robinsongeschichte bei einem Strandfest in Norddorf zum Besten eines Heimes für blinde Kinder aufzuführen, hat ihren Unternehmungsgeist mächtig beflügelt. Stundenlang haben sie während des schlechten Wetters manchmal in der Scheune vom Gasthaus zur „Windmühle“ zusammen gesessen und sich aufgeschrieben, wie sie im einzelnen alles machen wollen. „Fix lustig muß es sein“, war Elkes oft wiederholter Vorschlag. „Es tut gar nichts, wenn einer auch mal ein bißchen was Quatschiges macht. Die Hauptsache ist, die Leute lachen, dann geben sie mehr.’
Lotti war Feuer und Flamme für die Herstellung ihrer Kleiderpracht als Wildenfrau. Leuchtend rotes Kreppapier, Silberband, schwarze Krähenfedern für den Kopfputz — herrlichl Die Mittagsruhe benutzte sie ausschließlich dafür, vor dem Waschtischspiegel ihres Zimmers in Haus Halligblume die verschiedenen Galastücke auszuprobieren. Die zehn langen, schwarzen Krähenfedern hatte sie von Ursel Müller für eine ganze Tüte voll Rahmbonbons eingetauscht, aber das tat ihr nicht leid, denn es waren tadellose Federn. Mit Schleifen aus Silberband zu einer Art Krone zusammengebunden, standen sie ihr großartig, fand sie. Außerdem war Lotti sehr dafür, daß die Wildenfrauen sich richtige Tänze einübten. So bloß ein bißchen herumzuspringen, Fratzen zu schneiden und wildes Geschrei auszustoßen, wie sie das bisher gemacht hatten — Lotti hatte das oft als Zaungast beobachtet — das ging doch nicht bei einer richtigen Aufführung.
Alle fanden, daß Lotti recht hatte, und es begann bald ein eifriges Proben, wobei Fietje-Kokonussos männliche Untertanen die Musik lieferten. Sie hämmerten mit viel Getöse auf Marmeladeeimern herum und rasselten mit selbstgemachten, hölzernen Schlagzeugen. Später wollten sie auf selbsthergestellten Weidenflöten auch Melodien blasen, aber so weit war es noch nicht.
Wie wir aus Elkes Brief an ihr Drahthaarfoxel Ali bereits wissen, hatte die Familie Robinson jetzt außer dem Schaf Boxer noch ein zweites Haustier, nämlich einen Hund, das eisbärähnliche Tapsel.
Aber es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Tapsel als „Robinsonhund“ anerkannt wurde. Denn wieso? Wie kamen Robinsons, die froh sein konnten, das nackte Leben gerettet zu haben, dazu, einen Hund zu besitzen? Nein, das war zu „unrobinsonhaft“, das ging nicht, erklärte Piet. Aber schließlich fanden Elke und Freitag doch einen Ausweg. Den Hund hatte Freitag eben schon in der Heimat gehabt, und als ihn die bösen Feinde geraubt und dann auf einem Kanu fortgeschleppt hatten, um ihn auf einer einsamen Insel aufzufressen, war der treue Taps dem Boot nachgeschwommen. Er hatte die Insel glücklich erreicht, und dann hatte er überall seinen Herrn gesucht und hatte ihn schließlich gefunden und war nun da. Und Freitags neue Heimat bei der Familie Robinson war auch seine Heimat. Piet gab sich zufrieden mit dieser Erklärung.
Wie man sieht, nehmen die Kinder es noch immer ernst mit ihrem Vorhaben, ihren Robinson möglichst „echt“ zu spielen, und sie tun es, obgleich sie auch Nachteile dadurch haben — vor allem den einen, daß sie während ihres Spielens nicht essen und trinken dürfen, was sie wollen. Wasser und trockenes Brot und selbstgesammelte Früchte sind ihnen erlaubt, sonst nichts, und auch Lotti hat „schwören“ müssen, daß sie als Wildenfrau keine Bonbontüte anrühren will. Besonders Piet ist es, der in dieser Beziehung hohe Ansprüche stellt, aber auch Elke ist durchaus dafür, daß sie alles so machen, wie es auf einer menschenleeren Insel im weiten Ozean sein muß. Allerdings hat sie ja eine sehr lebhafte Fantasie und findet schnell einmal einen Ausweg, wenn sich irgendetwas als zu verzwickt herausstellt.
Zum Beispiel das mit dem zu dünnen Bindfaden zum Anbinden von Boxer. Der Bindfaden, den sie sich gerettet hatten, riß immer durch, aber da hatte sie sich von Vater Nämlich-nicht ganz einfach ein Stück Wäscheleine schenken lassen und dann erklärt, das Stück Leine hätte ebensogut von der See angespült sein können. So ein Tauende ging auf den Schiffen doch leicht mal über Bord.
Augenblicklich ist Elke dabei zu überlegen, wie die Ernährung der Robinsons weniger langweilig gemacht werden kann, und sie fände es schön, wenn sie ab und zu in den Dünen mal ein paar Möweneier fänden. Möweneier schmecken gut, haben sie bei dem Leuchtturmwärter festgestellt.
Tatsächlich gehen Katje, Elke und Piet eines
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