Elke im Seewind
verwundert und sagt ein wenig tadelnd, daß das nicht ginge. Eine Uhr sei ein Wertstück, und die Eltern müßten es wissen, wenn so etwas verloren sei. Elke antwortet lachend, daß sie ja doch die Schuld dafür kriegte, daß die Uhr weg ist. — Außerdem besitzt Elke, wie wir bereits wissen, ein gut Teil Gleichgültigkeit in solchen Dingen. Was weg ist, ist für sie eben weg. Vorigen Sommer, den sie mit Katje im Sonnenhof in Holstein verlebte, da hat sie ihren einen Schuh im Moor verloren, und sie hat sich durchaus nicht darüber gegrämt.
Lotti ist mit dabei, als über den Verlust von Elkes Uhr gesprochen wird, und es ist ihr nicht im geringsten etwas davon anzumerken, daß sie in der Angelegenheit ein sehr böses Gewissen haben muß. Ja, einmal macht sie sogar die Bemerkung, daß man „ja wirklich niemand mehr trauen kann“.
Arme Lotti I Aber es wird nicht mehr lange dauern, da wird eine gefährlich schwarze Wolke über ihr zur Entladung kommen. So ist es auch bei einem richtigen Gewitter: erst ist am Himmel nur ein ganz kleines, fernes Wölkchen zu erkennen, aber wenn das einmal da ist, dann wächst es rasch, und das Unwetter ist unvermeidlich.
Ja, auch über Lotti ist so ein Wölkchen erschienen. Frau Petermann hat nämlich durch die Leuchtturmwärterfrau davon erfahren, daß Lotti eine zweite Uhr in ihrer Handtasche hatte. Zwar hat Frau Petermann sich die Handtasche einmal zeigen lassen, und die Uhr war nicht darin — wir anderen wissen, daß Lotti seit ihrem Erlebnis bei dem Leuchtturmwärter die entwendete Uhr an einem versteckten kleinen Nagel im Kleiderschrank hängen hat — aber das macht nicht viel aus. Auf Lotti ist ein schwerer Verdacht gefallen, und der muß zum mindesten entkräftet werden. Frau Petermann will mit ihrer Schwester darüber sprechen. Die ist jetzt da, und es kann alles in Ruhe vor sich gehen. Es muß in Ruhe vor sich gehen, denn Lotti scheint mit ihren zwölf Jahren schon ein ganz durchtriebenes Mädel zu sein. Man darf nichts verkehrt machen, sonst nützt das Kind das zu seinen Gunsten aus.“
Schade um Lotti. Durch eigene Schuld ist ihr Ansehen bei den ihr anfangs so wohlgesinnten Menschen tief herabgesunken.
Neuntes Kapitel
WICHTIGE VORBEREITUNGEN
Elke bekommt in der vorletzten Ferienwoche eine Postkarte von Direktor Knesebeck. Auf dieser Postkarte steht, an welchem Tag und zu welcher Stunde das Strandfest in Norddorf stattfinden soll. Die aufführenden Kinder sollen zwei Stunden vor Beginn in Norddorf sein. Hoffentlich bleibt das Wetter ja gut. Darauf kommt alles an. Auf frohes Wiedersehen und herzliche Grüße.
Elke gibt Fräulein Brunkhorst die Karte zum Lesen, und die Lehrerin sagt: „Na, ihr habt ja Mut. Ich wünsche euch viel Glück; immerhin ist es ja was ganz Verschiedenes, ob ihr bloß für euch spielt oder ob ihr vor Zuschauern eine Aufführung macht.“
„Das hab’ ich neulich auch zu Herrn Knesebeck gesagt“, antwortet Elke. „Aber da hat er gesagt, es kommt nicht so drauf an. Die Hauptsache ist, es ist lustig. — Und dafür wollen wir schon sorgen!“ fügt Elke selbstbewußt hinzu.
„Wenn ich euch bei irgend etwas behilflich sein soll, dann braucht ihr mir das nur zu sagen“, meint Fräulein Brunkhorst darauf.
Elke denkt ein paar Augenblicke nach. „Wir müssen alleine fertig werden“, sagt sie dann, „aber wenn ich Sie vielleicht was fragen dürfte —“
„Was möchtest du fragen?“
Elke lächelt verschmitzt. „Die Wilden haben uns damals doch angeschmiert mit dem Friedenskuß.“
„Davon habt ihr mir erzählt.“
„Und nun wollen wir uns doch rächen wegen dem Friedenskuß. Und da wollt ich Sie fragen, ob das geht, daß die Wilden vor der Aufführung in Norddorf gar nichts davon wissen, wie wir uns rächen wollen.”
„Wie meinst du das?’ fragte die Lehrerin,
„Die Sache ist nämlich die“, fährt Elke fort. „Wir Robinsons müssen den Wilden doch unseren Gegenbesuch machen, und da bringen wir ihnen dann was ganz Feines mit: Schlagsahne. Jeder kriegt Schlagsahne auf eine große Muschel gefüllt, und bei eins, zwei, drei — muß sich jeder seine Muschel in den Mund kippen. Aber es ist gar keine richtige Schlagsahne, sondern Schlagsahnepulver mit Seifenwasser gemischt und schmeckt bestimmt entsetzlich. Alle spucken fürchterlich. Und da finde ich nun, daß es viel mehr Spaß macht, wenn die Wilden in Norddorf wirklich überrascht sind und gar nicht vorher wissen, daß sie Seifenwasser-Schlagsahne zu essen kriegen. Dann ist
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