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Ella und der Neue in der Klasse

Titel: Ella und der Neue in der Klasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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verhungern?«, fragte Tiina.
    »Meine Mutter erzählt mir was, wenn ich vor der Essenszeit verhungere«, schniefte Mika.
    Wir brauchten einen Plan. Und zwar schnell. Normalerweise hätte Timo bestimmt einen gehabt, aber mit leerem Bauch fiel nicht mal ihm was ein. Wir waren so hungrig, dass wir nur noch ans Essen denken konnten. Es war wie in den Kinofilmen, wenn sie unter der sengenden Wüstensonne nach einer Wasserstelle suchen. Mit letzter Kraft und trockenen Lippen robben sie auf den Kamm der nächsten Düne, und was sehen sie: dass sich dahinter die endlose Wüste hinzieht bis zum Horizont. Nur das Skelett eines Kamels liegt bleich hinter der Düne. Dann verlieren sie das Bewusstsein und wachen erst wieder auf, nachdem ein nobler Held sie aus der Todesgefahr gerettet hat.
    Wir waren zwar in keinem Kinofilm, aber wir beschlossen, den Trick trotzdem auszuprobieren. Es war meine Idee, aber wir erwarteten natürlich nicht, dass uns ein nobler Kinoheld zur Hilfe eilte. Ein einfacher Würstchenverkäufer hätte uns schon gereicht.
    Wir schlossen die Augen, und eine Weile passierte nichts. Dann wurde es hell. Das merkten wir, obwohl wir die Augen fest geschlossen hatten. Es wurde so hell, dass man die Augen gar nicht aufmachen konnte . Ein Wunder war geschehen. Wir waren gerettet.
    »Wer seid ihr, und was habt ihr vor?«, fragte eine Stimme, die wir gut kannten. Leider war es nicht die von Paavo. Der da mit uns redete, war der Polizist, den wir schon vor dem Kleidergeschäft getroffen hatten. Die Taschenlampe, die er auf uns richtete, war so hell, dass es in den Augen wehtat.
    »Euch kenn ich doch«, sagte der Polizist und schaltete die Taschenlampe aus.
    Jetzt konnten wir endlich die Augen aufmachen.
    »Eure Kleider sind anscheinend noch da, aber warum habt ihr die Augen zugekniffen?«, wollte der Polizist wissen.
    »Wir haben geschlafen«, erklärte ihm Timo.
    »Hier? Mitten auf dem Bürgersteig?«
    »Kinder brauchen ausreichend Schlaf«, sagte Tiina.
    »Und Polizisten müssen hellwach sein«, sagte der Polizist.
    »Wir haben Schlafschulden«, erklärte ich es ihm genauer.
    »Und meine Mutter sagt, dass man seine Schulden bezahlen muss«, sagte Mika.
    »Mit Zinsen«, fügte Timo hinzu.
    »Wir zahlen in Raten, weil wir minderbemittelt sind«, sagte Tiina, die manchmal fast so komische Wörter kennt wie Timo.
    Der Polizist sah uns an. Er wirkte jetzt wieder ein bisschen verwirrt. Dann seufzte er und sagte: »Wenn ihr eure Schulden bezahlt, gehe ich davon aus, dass hier kein Verbrechen stattgefunden hat. Trotzdem war früher alles einfacher. Es gab Räuber und Polizisten, die Polizisten verfolgten die Räuber, und das war’s.«
    Dann seufzte er wieder und sagte: »Und jetzt geht und bleibt immer schön auf dem rechten Weg!«
    Er wollte gerade gehen, als er den Hund bemerkte, der vor Pekkas Füßen saß und den Polizisten aufmerksam musterte. Er hielt den Kopf ein bisschen schief, dann streckte er dem Polizisten eine Pfote hin, und der Polizist bückte sich, um sie zu schütteln.
    »Auf Wiedersehn! Und sei so gut und kümmere dich um die Bande. Du scheinst mir von denen allen noch der Vernünftigste zu sein.«
    Als der Polizist ging, hatten wir immer noch Hunger. Wir hatten solchen Hunger, dass wir nicht mal daran dachten, ihn nach der Vatertagskarte zu fragen, die immer noch hinten aus seiner Gesäßtasche schaute.
    Wir gingen ein Stück, aber vor einem Restaurant blieben wir stehen. Hinter einer großen Glasscheibe saßen Leute, die köstliche Dinge aßen, und draußen konnte man alles sehen und sogar riechen. Wir gingen ganz nah ran und drückten uns die Nasen platt.
    Das Komische war, dass wir den Lehrer und seine Frau nicht gleich bemerkten, obwohl sie am Fenstertisch saßen. Der Lehrer war also noch nicht nach Hause gegangen. Er saß im Restaurant und aß zu Abend. Vielleicht hatten wir ihn deshalb nicht gleich bemerkt, weil er sich die ganze Zeit unter der Jacke versteckte. Ganz komisch war das. Als würde er lieber das Futter seiner Jacke anschauen als seine Frau.
     
     
     
    Die Frau des Lehrers hatte ihre Jacke ganz normal an und winkte uns. Dann tippte sie dem Lehrer auf die Schulter, und er ließ die Jacke sinken. Jetzt schauten sie uns beide an, und wir schauten mit platt gedrückten Nasen zurück. Das Essen auf ihren Tellern sah lecker aus. Die Frau des Lehrers aß ein großes Steak, und vor dem Lehrer dampfte ein Teller Spaghetti. Es war ein großer Teller, fast so groß wie eine Waschschüssel. Mein

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