Ellin
in ihre Nase und machte ihr den Mund wässrig. Ihr Magen knurrte vernehmlich.
»Hier iss, damit du wieder zu Kräften kommst.« Geldis reichte ihr die Schale, zusammen mit einem Holzlöffel.
Das mütterliche Gebaren empfand Ellin als wohltuend und erinnerte sie ein wenig an Affra. Dankbar lächelte sie die alte Frau an, nahm die Schale entgegen und begann, die Suppe zu schlürfen.
»Iss langsam, wir wollen ja nicht, dass du alles wieder erbrichst.«
Sie nickte und zwang sich, langsamer zu essen. Geldis beobachtete sie schweigend und wartete, bis sie die Schale geleert hatte. Anschließend reichte sie ihr einen Becher mit einem hellgrünen Sud. Ellin roch daran und erkannte den Duft von Lindbaum und Spießwurz, Kräuter, die auch Mathýs bei Husten und Fieber verabreichte. Sie nahm einen großen Schluck und sofort breitete sich wohltuende Linderung in ihrer wunden Kehle aus.
»Woher kommst du?«, fragte Geldis.
Ellin räusperte sich. »Aus Veckta. Sind wir noch in Veckta?«
Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Wir haben gestern die Grenze zu Thal überquert.«
Die Nachricht erleichterte Ellin. Falls Lord Wolfhard sie wirklich verfolgen ließ, stiegen ihre Chancen mit jedem Schritt, den sie sich von Veckta entfernte. »Wie lange habe ich geschlafen?«
»Vier Nächte lang. Du warst sehr krank, ich befürchtete schon, dass du es nicht schaffen würdest.«
Ellin nickte. Sie hatte ihn gespürt, den Todeshauch. Der Knochensammler hatte an ihrer Seite gewacht. »Wie habt Ihr mich gefunden?«
Geldis tätschelte ihre Hand. »Du hattest großes Glück. Wir sind im Schlamm stecken geblieben und Kylian hat dich auf der Suche nach einem Hebel im Wald gefunden.«
»Wer seid Ihr?«, fragte Ellin.
»Wir sind Nomaden. Drei Männer und zwei Frauen. Wer bist du?«
Nervös knetete Ellin an dem Schlaffell herum. Keinesfalls durfte sie zuviel verraten. Noch war nicht sicher, ob sie diesen Leuten trauen konnte. Es war durchaus möglich, dass sie sich eine kleine Belohnung verdienen wollten, indem sie eine entflohene Dienerin wieder zu ihrem Herrn zurückbrachten. Bevor sie eine unverfängliche Antwort fand, wurde der Vorhang am Einstieg des Wagens zur Seite geschoben. Ein Mann kletterte hinein. Seine Kleidung und Statur schienen seltsam vertraut. Als er den Kopf hob, erschrak sie und starrte ihn mit offenem Mund an. Ein bartloses Gesicht und grüne Augen, die sie durchdringend musterten. Es war der schwarzhaarige Mann aus ihren Träumen, haargenau derselbe Mann. Selbst die Narben über dem linken Auge und der Unterlippe waren vorhanden.
»Ich kenne Euch«, stieß sie hervor.
Der Mann zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ihr kennt mich? Woher?«
»Ich habe von Euch geträumt.« Das klang selbst in ihren Ohren lächerlich und Ellin wünschte sich, sie hätte den Mund gehalten. Sicher war er oft in ihrer Nähe gewesen, während sie im Fieber gelegen hatte. Sie hatte einfach Traum mit Wirklichkeit vermischt.
Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht, die sie kalt und abschätzend musterten.
Ellin empfand eine jähe Abneigung gegen ihn.
»Ich hoffe, es waren angenehme Träume.«
»Nicht wirklich«, erwiderte sie.
»Wie ich sehe, seid Ihr wohlauf«, stellte er fest, während er sich neben sie hockte. »Dann macht es Euch hoffentlich nichts aus, wenn ich Euch ein paar Fragen stelle.«
»Streng sie nicht zu sehr an, Kylian«, mischte Geldis sich ein. »Sie ist noch immer geschwächt.«
Die alte Frau hatte nicht unrecht. Ellin fühlte sich, trotz des Eintopfs und dem Kräutersud, kraftlos und elend, zudem hatte sie stechende Kopfschmerzen.
»Es geht schon«, beteuerte sie. Nervös umklammerte sie den Rand des Felles.
»Um Euch nicht zu überanstrengen, werde ich mich kurzfassen«, sagte Kylian. »Woher kommt Ihr? Ich weiß, dass ihr aus Veckta seid, doch wo genau habt Ihr gelebt?«
»Auf der Felsenfestung.«
»Und wovor seid Ihr geflohen?«
»Wer sagt, dass ich geflohen bin?«
Kylian presste die Lippen aufeinander, schloss die Augen und atmete tief ein, so als wäre sie einfältig und er dazu verdammt, ihr etwas ganz einfaches zu erklären. Als er die Augen wieder öffnete, fixierte er sie mit seinem durchdringenden Greifvogelblick.
»Ich glaube, ich muss etwas klarstellen, Ellin«, sagte er. »Weder bin ich einfältig noch leicht übers Ohr zu hauen, also bitte ich Euch darum, mir ehrlich und ohne Zögern zu antworten, sonst sehe ich mich gezwungen, Euch hier und jetzt aus dem Wagen zu werfen und
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