Ellin
Glücklicherweise sind die Grej Perlinos unverletzt. Sie haben sich losgerissen und in sicherer Entfernung das Ende des Kampfes abgewartet. Wir geben Euch ein oder zwei Tage Zeit, um Euch von dem Kampf zu erholen, dann setzen wir die Reise fort«, erklärte Kylian.
Ellin spürte einen Anflug von Enttäuschung. »Heißt das, Ihr wollt trotz allem zu der Insel?«
Kylian runzelte die Stirn und blickte sie verständnislos an. »Wir haben einen Auftrag. Nur weil ein Hindernis auftritt, verlieren wir nicht gleich unser Ziel aus den Augen.«
Sie enthielt sich einer Erwiderung. Wenn für Kylian der Kampf mit den Stymphaliden nichts als ein Hindernis war, würde er sich nicht von dem Auftrag abbringen lassen, egal was sie sagte. Sie selbst hatte genug vom Kämpfen, genug von Verletzungen und Schmerzen, von Gefahr und Tod. Einen warmen Schlafplatz, etwas zu essen und Ruhe und Frieden − das war, wonach sie sich sehnte. Wie es aussah, würde dieser Wunsch so schnell nicht in Erfüllung gehen.
Sie rasteten zwei Tage lang, wobei allen mulmig zumute war. Jeder befürchtete das Auftauchen weiterer Stymphaliden. Kylian, Nuelia und Butan hielten nachts Wache und schliefen am Tag. Während dieser Zeit passten Jesh und Ellin auf. Geldis übernahm derweil das Kochen, sehr zum Leidwesen von Kylian und Butan. Ellins Wunden heilten gut, trotzdem war sie auch am dritten Tag noch nicht in der Lage, richtig zu gehen. Kylian entschied jedoch, dass sie nicht länger an diesem Ort verweilen durften und so machten sie sich am Morgen des dritten Tages nach dem Angriff der Vögel auf den Weg. Vieles mussten sie zurücklassen, nur was sie auf dem Rücken tragen konnten und was in die Satteltaschen passte, nahmen sie mit. Jeder bekam einen gefüllten Wasserschlauch, Gerstfladen, Trockenfleisch und ein halbes Dutzend Äpfel. Geldis ritt mit Kylian und Ellin durfte wegen ihrer Verletzung mit Butan reiten. Jesh und Nuelia gingen zu Fuß weiter, was vor allem Nuelia missmutig stimmte.
Ellin fürchtete sich vor dem, was auf der Insel auf sie wartete. Wenn es sich um ganz normale Menschen handelte, dann hatten sie gegen die Uthra wohl keine Chance, doch welcher Mensch, der auch nur halbwegs bei klarem Verstand war, versteckte sich inmitten der Braunen Seen? Sie hatte so eine Ahnung, dass es sich bei den Gesuchten genauso wenig um Menschen handelte, wie bei den Uthra.
Butans Wärme im Rücken empfand sie in der schwülen Hitze als unangenehm. Ihr Unterkleid war schweißnass und klebte an ihrer Haut, doch am schlimmsten war die Erschöpfung, die sich wie eine tödliche Krankheit in ihr eingenistet hatte. Zusammengesunken saß sie da und hielt sich mehr schlecht als recht am Sattelknauf fest. Immer wieder sackte sie gegen Butans Brust und fiel in einen leichten Dämmerschlaf. Ihre Beinkleider hatte sie nach oben gekrempelt, einerseits damit die Wunde an ihrer Wade schneller heilte aber auch wegen der schwülen Hitze. Die Schicklichkeit war ihr egal. Während Kylian die Feder entfernt hatte, hatten sowieso alle ihre nackten Beine gesehen.
Den anderen schien es nicht besser zu ergehen, auch sie waren verschwitzt und wirkten erschöpft. Mit hängenden Armen schlurften Jesh und Nuelia voran und selbst die tapferen Pferde ließen die Köpfe hängen und trabten lustlos hinter den beiden her. Auf dem Stoff unter Kylians Armen zeichneten sich große, dunkle Flecken ab. Das Lederwams hatte er ausgezogen und an seinem Bündel befestigt.
»Da ist sie«, rief er plötzlich und deutete auf eine kuppelartige Erhebung. Ellin schreckte aus ihrem Dämmerschlaf und spähte in die Ferne. Das war sie also, die Insel. Verschwommen erhob sie sich aus dem Dunst. Plötzlich war ihre Müdigkeit wie weggeblasen.
Eine Weile hielten sie geradewegs auf das Eiland zu, waren dann aber aufgrund eines mit Sumpfwasser gefüllten Grabens gezwungen, einen Umweg zu machen. In unregelmäßigen Abständen platzten auf seiner Oberfläche zähflüssige Blasen. An manchen Stellen zerteile sich die Brühe und offenbarte einen graubraunen, schuppigen Rücken. Ängstlich beobachtete Ellin das Auf und Ab des schlanken Leibes. Sie umrundeten den Graben, ohne jedoch einen Weg zu finden, der sie auf das Eiland führte. Kylians Miene verdüsterte sich zusehends. Irgendwann befahl er ihnen anzuhalten, zog die Karte aus der Satteltasche und studierte sie eingehend. Dann brummte er etwas Unverständliches und ritt weiter. Die anderen folgten ihm schweigend.
Ellin betrachtete das Eiland. Es war nicht
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