Ellin
Kylian auf sie. Ellin lächelte sie strahlend an, wobei sie gezielt Kylians Blick suchte. Er wirkte verunsichert, als sie ihn so direkt ansah, und begann nervös an seinem Gürtel herumzunesteln.
Gemeinsam schlenderten sie zum Festmahl, welches auf einer Lichtung im Palastgarten stattfand. Feuerschalen erhellten die Nacht. An den Bäumen hingen bunte Laternen, Sitzkissen und Bergblüten lagen auf der Wiese verstreut um eine lange Tafel herum, auf der allerlei Köstlichkeiten kredenzt wurden. Die Bäume rauschten in einer warmen Brise, Flammen tanzten in den Laternen wie gefangene Lichtgeister und Musikanten spielten eine sehnsuchtsvolle Weise. Die Diener und Sklaven sorgten dafür, dass die Becher immer gefüllt und die Teller nie leer wurden. Die Stimmung war ausgelassen, wofür nicht zuletzt allerlei vergorene und gebraute Getränke verantwortlich waren. Mehrmals erhoben sie ihre Becher und gedachten Butan und Geldis, die für immer in ihren Herzen wohnten. Ellin und Kylian richteten nie das Wort aneinander, doch wenn sich ihre Blicke trafen, geschah dies ohne die übliche Befangenheit. Immer wieder wanderte Ellins Hand wie zufällig zur selben Schale oder zum gleichen Krug wie Kylians, sodass sich ihre Finger berührten. Als sie ihren Platz verließ, um ihre Notdurft zu verrichten, ging sie so nah an ihm vorbei, dass ihr Gewand seinen Rücken streifte. Sie zweifelte daran, dass diese Annäherungsversuche Wirkung zeigen würden, doch was hatte sie schon zu verlieren? Zudem machte das unauffällige Bezirzen Spaß, wie sie feststellte.
Im Anschluss an das Essen schlug Nuelia vor, in die Stadt zu gehen und mit den Menschen zu feiern. Der Vorschlag wurde von allen begeistert aufgenommen. Nach dem üppigen Mahl drängte es sie nach Bewegung und ein wenig Abwechslung.
Fröhlich schlenderten sie den Berg hinab. Überall in der Stadt brannten bunte Lichter und von allen Seiten erklang Musik. Die Menschen tanzten und sangen auf den Straßen. Der Duft von gebratenem Fleisch, gegrilltem Gemüse und den überall verstreuten Bergblüten hüllte sie ein. An jeder Ecke saßen Gaukler und zeigten ihre Kunststücke. Frauen verkauften Ketten aus frischen Bergblüten und Glücksspieler boten Wurf und Kartenspiele an oder baten um Einsätze für Käferrennen oder Waldhornwetthüpfen. Auf dem Marktplatz hielten sie inne und betrachteten die Musikanten. Die Menschen fassten sich bei den Händen und zogen durch die Straßen.
»Lasst uns mitmachen«, schlug Jesh vor und zog Ellin in die Menge.
Ellin zierte sich zuerst, doch nach den ersten Schritten löste sich ihre Befangenheit und sie reihte sich lachend in die hüpfende Menschenschlange ein. Ausgelassen sprangen sie durch die Gassen, sangen fröhliche Weisen, bis sie völlig außer Atem waren. Nach einer großen Runde kehrten sie zum Marktplatz zurück, wo sie kurz innehielten, um einen Becher Wasser und einen großen Gerstschnaps zu trinken, der so stark war, dass Ellin husten musste. Beschwingt griff sie nach Kylians und Nuelias Hand und zog sie in die nächste vorbeiziehende Schlange. Kylian an der einen und Nuelia an der anderen Hand sprang Ellin voran. Ihr Lachen vereinte sich mit dem Lachen der anderen, hell und leuchtend schwamm es auf den Wellen ausgelassener Fröhlichkeit. Der Nordstern strahlte am nachtblauen Himmelszelt, heller als je zuvor, die Luft vibrierte. Im Schatten der Festarena hielten sie atemlos inne. Lachend warf Ellin sich in das Gras, während Nuelia Jeshs Hand ergriff und ihn in die nächste Menschenschlange zog. Kylian stand ein wenig unschlüssig da und blickte ihnen nach.
Kurz entschlossen griff Ellin nach seiner Hand und zog ihn neben sich in das kühle Gras. Die Wirkung des Gerstschnapses verlieh ihr Mut. »Entspannt Euch«, sagte sie. »Wir reihen uns in die nächste Schlange.«
Er sah sie an, im Grün seiner Augen ein leuchtender Funke. »Ellin«, sagte er leise und schluckte schwer. Wie ein wohliger Schauer rieselte seine Stimme über ihre Haut. Der Alkohol kribbelte in ihrem Bauch und sie fühlte sich ein wenig benebelt.
»Küss mich«, wisperte sie.
Und das tat er. Ohne zu zögern, schlang er die Arme um ihre Schultern, zog sie zu sich heran und küsste sie mit einer Leidenschaft, die ihr den Atem raubte. Freude, Glück und Verlangen durchströmten sie und veranlassten sie dazu, sich ganz nah an ihn zu drücken. Die Welt um sie herum verschwamm zu einer weit entfernten Wirklichkeit, die keinen Platz hatte in ihrem Sinnesrausch.
Ihr Kuss
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